DIe Inflation steigt - und jetzt?
Nach vielen Jahren extrem niedriger Inflation zeichnet sich zuletzt ein deutlicher Anstieg ab. In Deutschland lag die Teuerungsrate im Juni 2,3 %. In den USA ist der Preisauftrieb im selben Monat auf 5.4 % gestiegen, die höchste Rate seit dem Jahr 2008. Das sind bemerkenswerte Zahlen, denn noch vor wenigen Monaten lagen die Raten deutlich niedriger (siehe Grafik). Warum steigt die Inflation? Mehrere Faktoren sind maßgeblich, so etwa der deutliche Anstieg der Energiepreise oder das Ende der Mehrwertsteuersenkung in Deutschland zur Jahreswende 2020/21. Bedeutsam ist aber auch die extrem lockere Geldpolitik und die in der Pandemie aufgestaute Kaufkraft. Sie entlädt sich mit den jüngsten Lockerungen. Hinzu kommen weltweite Lieferengpässe bei Rohstoffen. Und in den USA schlägt das große Ausgabenprogramm der neuen Administration als Preistreiber zu Buche. Ist das gefährlich? Ein bedeutender Notenbanker hat einmal gesagt, „Inflation ist wie Spargel“. Wenn man ihn sieht, ist es zu spät. Bei der Inflation ist es auch so. Erst einmal in Gang gekommen, besteht die Gefahr von sogenannten Zweitrundeneffekten durch Erwartungsanpassungen der Menschen und der Unternehmen. Dann ist Inflation sehr viel schwerer zu stoppen. Haben wir diesen Punkt erreicht? Ich denke nicht. Es ist aber extrem wichtig, dass die Notenbanken ihren bisherigen (unorthodoxen) Kurs mit der konjunkturellen Erholung ändern. Eine erste Anpassung haben wir in den USA erlebt. Dort hat die Notenbank ihre Prognose für die erste Zinsstraffung von 2024 auf das Jahr 2023 korrigiert. Das hört sich harmlos an, ist aber ein bedeutendes Signal. Und bleibt die Inflation hoch, werden sicher weitere Maßnahmen folgen. Was wäre an einer dauerhaft höheren Inflation eigentlich so schlimm? Es gibt kaum etwas unsozialeres als hohe Inflation. Sparer verlieren über die Zeit große Teile ihres Vermögen. Hierzu ein Beispiel: Liegt die Inflation über 10 Jahre bei 3 % p.a., schrumpft die Kaufkraft von 100 Euro auf unter 75 Euro, ein Verlust von über einem Viertel! In einem Umfeld fortgesetzter Nullzinsen ist dies für die Alterssicherung ein echtes Problem. Zudem schwindet die Kaufkraft der laufenden Einkommen, was gerade die Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen oder die Rentner trifft. Gewinner ist dagegen der Staat, weil seine Verschuldungsquote ohne echtes Zutun fällt. Fazit: Die Notenbanken müssen unbedingt dran bleiben, die Entwicklung genau beobachten und im Zweifel lieber früh handeln als (zu) spät. Umso erfreulicher ist, dass Jens Weidmann, Chef der Bundesbank, in einem Interview eine vorsichtigere Dosierung der EZB-Krisenmaßnahmen in Aussicht gestellt hat. Weidmann wörtlich: "Wenn der Notfall vorüber ist, [...] muss das PEPP [Anm.: Corona-Anleihekaufprogramm] beendet werden“. (Quelle: BLS (USA), Destatis, eigene Berechnungen)