Standpunkte
Laut Herbstprognose des Bundeswirtschaftsministers Habeck wird die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 0,2 % schrumpfen, nach bereits 0,3 % im letzten Jahr. Zwei Jahre Kontraktion in Folge, das gab es zuletzt in den Jahren 2002 und 2003 als rot-grün die Geschicke unseres Landes bestimmt hat. Eine weitere bedauernswerte Parallele zeigt sich in der Entwicklung der Sozialversicherungsbeiträge, die bis zum Jahr 2025 auf 42 % steigen werden. Einen Anstieg in diese Höhe gab es zuletzt zu Beginn der Jahrtausendwende, ebenfalls unter rot-grün. Und schließlich: Seit drei Jahren zeichnet sich ein besorgniserregender Trend bei den ausländischen Direktinvestitionen ab. Mit anderen Worten: Immer weniger Firmen aus dem Ausland investieren hier bei uns; dafür steigt die Zahl derer, die ihr Glück im Ausland suchen.
Ich meine, dass es kein Zufall ist, wenn schlechte Wirtschaftszahlen immer dann zu beobachten sind, wenn bestimmte politische Kräfte am Werk sind. Zwar ist richtig, dass Deutschland derzeit unter geopolitischen Krisen leidet, die das Wirtschaftswachstum dämpfen. Aber diese Krisen treffen andere Länder auch – und dort ist das Wachstum weiterhin positiv. Zudem: Krisen hat es zu jeder Zeit gegeben. Ich nenne nur die Große Finanzkrise im Jahr 2008 oder die massive Staatsschuldenkrise 2012. Entscheidend ist, wie mit solchen Krisen umgegangen wird. Beherztes und ordnungspolitisch richtiges Handeln ist gefragt. 2008 hat Angela Merkel gemeinsam mit Peer Steinbrück den Menschen versichert, dass ihre Einlagen sicher sind – und hat damit die Situation massiv beruhigt.
In einer jüngsten Rede bediente sich Wirtschaftsminister Habeck neulich einer bemerkenswert martialischen Rhetorik und sprach davon, dass er die „Kettensäge anschmeißen“ und das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz „wegebolzen“ wolle. Das Gesetz ist - trotz der guten Absichten, die sicher dahinter stehen - ein bürokratisches Ungetüm, das unsere Unternehmen über Gebühr belastet. Passiert ist bis heute aber nichts.
Für das kommende Jahr rechnet der Wirtschaftsminister mit einer Belebung der Konjunktur. 1,1 % stehen für 2025 und sogar 1,6 % für 2026 zu Buche. Zu befürchten ist allerdings, dass auch diese Prognosen nach unten korrigiert werden müssen, so wie es bislang mit jedem Wirtschaftsbericht aus dem Hause Habeck war. Das dahinterstehende Prinzip ist klar: Unser Land wird in schöner Regelmäßigkeit auf einen Aufschwung vertröstet, der dann aber nicht kommt. Ein bisschen erinnert mich das an das Theaterstück von Samuel Beckett „Warten auf Godot“. Und auch von Godot wissen wir, dass er nie angekommen ist…
Und in der Staatschuldenkrise hat der damalige Notenbankchef Draghi versichert, dass er den Euro um jeden Preis verteidigen wird („whatever it takes“). Im Vergleich hierzu ist schon bemerkenswert, dass die aktuelle Regierung funktionierende Kernkraftwerke in der größten Energiekrise der Nachkriegsgeschichte einfach abschaltet (obwohl „jede Kilowattstunde zählt“) und die Menschen überdies mit einem schlecht gemachten Heizungsgesetz massiv verunsichert. Es ist einfach so: Ein Gutteil der wirtschaftlichen Misere ist schlicht hausgemacht. Sie ist das Ergebnis einer Wirtschaftspolitik, die auf Staatsinterventionen und Mikromanagement setzt, statt auf gute Rahmenbedingungen, Entbürokratisierung und Entlastungen, auch steuerliche.
In den letzten Wochen und Monaten hat das Thema Industriepolitik enorm an Bedeutung gewonnen. Immer mehr erleben wir, dass Regierungen versuchen, sich mit Hilfe von Einfuhrbestimmungen, Schutzzöllen und Subventionen Vorteile im internationalen Handel und in der heimischen Produktion zu verschaffen. Auch geht es darum, Firmen zu Neuansiedlungen anzuregen. Prominenteste Beispiele sind die Initiative „Made in China 2025“ oder der Inflation Reduction Act in den USA.
Zuletzt hat die Europäische Kommission Ausgleichszölle auf batteriebetriebene Elektrofahrzeuge (BEV) angekündigt, was zu einer Protestwelle der großen Hersteller hier im Land geführt hat. Zu groß ist offenbar die Sorge, dass China mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren könnte. Damit bestünde die Gefahr, dass ein sehr wichtiger Markt für die deutschen Hersteller verloren geht.
Für Europa – und insbesondere auch für Deutschland als exportabhängige Volkswirtschaft – stellt sich die Frage, wie auf die zunehmend offensiven industriepolitischen Maßnahmen zu reagieren ist? Klar ist, dass immer neue Runden von industriepolitisch motivierten Abschottungsmaßnahmen die Welt ärmer machen werden. Der internationale Handel, von dem gerade auch Deutschland so sehr profitiert, war der Wohlstandstreiber der letzten 30 Jahre. Er sollte nicht auf dem Altar von wirtschaftlicher Abschottung oder einer wertebasierten Handelspolitik geopfert werden.
Ich persönlich unterscheide hier zwischen einer grundsätzlichen Positionierung in Fragen des Handels und spezifischen Maßnahmen, die im Einzelfall gerechtfertigt sein können. Grundsätzlich steht für mich außer Frage, dass Deutschland als offene Volkswirtschaft weiterhin mit all seinen Möglichkeiten für offene Märkte und einen freien Welthandel eintreten muss. Unseren Handelspartnern muss klar sein: Wir wollen einen offenen, regelbasierten Handel; eine Abkehr davon kann in niemandes Interesse liegen. Auch erwarte ich von unserer Bundesregierung, dass sie – trotz aller Schwierigkeiten – dafür eintritt, dass Handelsstreitigkeiten bei der Welthandelsorganisation beigelegt werden, statt im bilateralen Zirkel aus Abschottungs- und Vergeltungsmaßnahmen. Das hierfür verantwortliche Streitbeilegungsgremium (dispute settlement body) bei der Welthandelsorganisation muss im Interesse der Weltgemeinschaft wieder gestärkt werden.
Natürlich heißt das nicht, dass wir als Land blauäugig sein dürfen und unlauteren Wettbewerb klaglos ertragen müssen. Sollte eindeutig nachgewiesen sein, dass sich Länder durch Subventionen und Schutzmaßnahmen unlautere Vorteile im internationalen Wettbewerb verschaffen – so wie dies aktuell bei China in etlichen Sektoren der Wirtschaft ganz offensichtlich der Fall ist –, dann muss das die Bunderegierung auch mit Nachdruck adressieren. Dazu gehört vor allem das Gespräch zu suchen. Insofern war es gut, dass Wirtschaftsminister Habeck unlängst in China war. Klar dürfte aber sein, dass ein mögliches Einlenken Pekings vor allem darauf zurückzuführen ist, dass der europäische Binnenmarkt mit seinen 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern für die wirtschaftliche Entwicklung Chinas schlicht zu wichtig ist, als dass der Zugang zu diesem Markt mit seiner hohen Kaufkraft leichtfertig aufs Spiel gesetzt würde.
Sollten diese Gespräche aber nicht greifen, sind schlussendlich auch Vergeltungsmaßnahmen in Form von z. B. Ausgleichszöllen in Erwägung zu ziehen. Allerdings darf hier nicht mit der Schrottflinte geschossen werden. Die Maßnahmen müssen passgenau und auf Zeit angelegt sein. Das Motto, das hier zur Anwendung kommt, muss lauten: So viel wie nötig, so wenig wie möglich.
Auf keinen Fall aber erfordert Industriepolitik in der Zeitenwende, dass in „vielen Fällen“ eine „aktive Förderpolitik“ betrieben wird, so wie die Bundesregierung dies vor kurzem in einem industriepolitischen Positionspapier behauptet hat. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von Beispielen, in denen der Staat mit fehlgeleiteten Subventionen nichts anderes erreicht hat als das nachhaltige Verbrennen von Steuergeldern. Diese Zurückhaltung gilt im Übrigen auch für Versuche, eine wertegeleitete Handelspolitik zu implementieren, die nur unscharf zwischen handels- und sonstigen politischen Zielen trennt.
In wenigen Tagen ist es so weit: Dann sind rund 350 Mio. Europäerinnen und Europäer (davon knapp 65 Mio. Deutsche) aufgerufen, das Europäische Parlament neu zu wählen. Und zum ersten Mal dürfen auch 16- und 17-jährige wählen. Das ist ein großes Privileg. Deshalb gleich zu Beginn meine Bitte an die rund eine Millionen Erstwähler in Deutschland: Macht Euch schlau und geht wählen. Es geht um Eure Zukunft. Manchmal wird die Bedeutung der Europawahl für unser Leben etwas unterschätzt. Das wäre aber falsch. Es gibt viele Gründe, warum Europa so wichtig für uns ist:
Ø Stimme in der Welt: Wir erleben eine zunehmende Fragmentierung unserer Welt. Neue Blöcke entstehen. Wenn wir im Konzert der großen Mächte wie die USA oder China mitreden wollen, wird dies nur aus einem geeinten Europa heraus gelingen. Jedes EU-Land allein wäre zu klein.
Ø Sicherheit: Spätestens seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ist klar, dass Freiheit und Sicherheit auch heute nicht selbstverständlich sind. Wir werden in den kommenden Jahren viel mehr für unsere Sicherheit tun müssen als in den letzten drei Jahrzehnten. Da ist ein starker europäischer Schulterschluss unerlässlich, ganz besonders dann, wenn es am 5. November in den USA zu einem Regierungswechsel kommen sollte.
Ø Wohlstand: Der Europäische Binnenmarkt mit seinen vier Freiheiten in den Bereichen Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital ist ein wichtiger Wohlstandsgarant für alle Menschen in der EU. Deshalb sind Gedankenspiele vieler Rechtspopulisten über einen Austritt Deutschlands aus der EU („Dexit“) auch falsch. Neusten Schätzungen zufolge lägen die Kosten bei knapp 700 Mrd. Euro.
Ø Währung: Der Euro ist weit besser als viele manchmal denken. Gemessen an seiner inneren Stabilität (Inflation) und an seiner äußeren Stabilität (Außenwert) kann es die europäische Einheitswährung locker mit der D-Mark aufnehmen.
Ø Handel: Deutschland ist wie viele Länder der EU auf den Export angewiesen. Neue Handelsvereinbarungen werden aber in Brüssel geschlossen. Das ist auch richtig so, weil rund 500 Millionen Konsumenten eine ganz andere Verhandlungsposition ergeben als 84 Millionen.
Ø Gesetze: Wird in Brüssel ein Gesetz als Verordnung auf den Weg gebracht, gilt dieses Gesetz ganz unmittelbar in allen Ländern Europas. Aus Berlin heraus haben wir allenfalls im Vorfeld Gestaltungsmöglichkeiten. Wenig hilfreich ist dann allerdings, wenn sich die deutsche Seite ständig enthält, so wie es die Bundesregierung derzeit tut („German Vote“).
Ø Bürokratie und Regulierung: Häufig höre ich von den Unternehmen in meinem Wahlkreis, dass die Bürokratie und die Regulierungsvorgaben ein kaum noch zu stemmendes Maß erreicht haben. Diese Sorge teile ich. Soll es hier aber besser werden, muss der Blick auch nach Europa gehen.
Vom “Green Deal” zum “Green and Growth Deal”
All dies ist wichtig. All dies bedeutet aber nicht, dass wir nicht auch in Europa unsere Hausaufgaben machen müssen. Wir müssen die europäischen Binnenmärkte für Energie und Kapital weiter stärken.
Auch müssen wir an unserer Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Mit der Lissabon-Strategie zu Beginn des Jahrtausends wurde das Ziel ausgegeben, Europa zur „wettbewerbsfähigsten und nachhaltigsten dynamischen, wissensbasierten Wirtschaft der Welt“ zu machen. Davon sind wir heute weiter entfernt denn je.
Manchmal höre ich, dass Ursula von der Leyen, unsere Spitzenkandidatin für das Amt der Kommissionspräsidentin, in den letzten fünf Jahren mehr hätte machen müssen. Darüber lässt sich streiten, denn gestalten kann auch eine Kommissionspräsidentin nur, wenn die Mehrverhältnisse im Parlament und in der Europäischen Kommission stimmen. Im Parlament hatten wir in den letzten fünf Jahre eine links-grüne „Ampel“, und in der Kommission kamen nur 8 von 17 Kommissaren aus unserem Lager der EVP. Nur wenn sich das am 9. Juni ändert und die konservativen, christlich-sozialen Kräfte gestärkt werden, haben wir in den kommenden fünf Jahren eine Chance, aus dem „Green Deal“ einen „Green and Growth Deal“ zu machen.
Die gute Nachricht in diesem Zusammenhang ist, dass die soziale Sicherung in Deutschland auf einem sehr hohen Niveau ist. Dies gilt sowohl im internationalen Vergleich – kaum ein Land hat so stark ausgebautes Sozialsystem wie Deutschland – als auch im historischen Vergleich. Deutlich wird dies an der sogenannten Sozialleistungsquote. Die misst die Ausgaben für soziale Belange im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also unserer jährlichen Wirtschaftsleistung. Diese Quote liegt aktuell bei rund 30 %. Bei einem BIP von gut 4000 Mrd. € bedeutet dies, dass wir jährlich rund 1200 Mrd. € für Soziales ausgeben, eine enorme Summe. Zu Beginn der neunziger Jahre, also kurz nach der Wiedervereinigung, betrug diese Quote 25 %, und in den sechziger Jahren waren es nur 20 %.
So erfreulich diese Zahlen auf der einen Seite sind, so sehr gilt aber zu bedenken, dass sie von zwei wesentlichen Faktoren abhängen. Zum einen erfordern sie, dass es hinreichend viele Menschen und Unternehmen gibt, die mit ihren Steuern und Abgaben diese riesigen Ausgaben erst ermöglichen. Und meistens bedeutet das eben auch, dass dahinter sehr harte Arbeit steckt. Egal ob Krankenpfleger oder Dachdecker, ob Erzieher oder Ingenieur: Immer steht am Anfang das Engagement und die Arbeitsleistung einzelner, mit dem der Staat Zugriff auf Steuergeld erhält.
Warum sage ich das? Weil dieses System nur so lange funktioniert, wie es sehr viel mehr Einzahler als Leistungsempfänger gibt. Darum ist es auch so wichtig, dass wir eine starke Wirtschaft haben mit guten Jobs. Es kommt aber noch ein zweites Element hinzu. Doe sozialen Sicherungssysteme sind auch davon abhängig, dass wir alle verantwortungsvoll damit umgehen. Das ist übrigens ein Prinzip, das es nicht nur bei den Sozialversicherungen gibt. Auch im Bereich privater Versicherungen ist es extrem wichtig, dass die Versicherten mitarbeiten, etwa indem sie umsichtig fahren, ihr Haus gegen Einbruch schützen oder ihre Computer gegen Cyberattacken wappnen. Ohne dieses aktive Mitwirken, würde es keine private Versicherung geben. Sie wäre unbezahlbar.
Ähnlich verhält es sich aber auch im Bereich der sozialen Sicherungssystem, die wir geschaffen haben, um Menschen in Not zu helfen. Aber auch das erfordert, dass alle Menschen aktiv mithelfen, um das System nicht zu überlasten. Auch hier ist Eigenverantwortung unverzichtbar. Deshalb halte ich es auch für grundlegend falsch, wenn die Familienministerin Lisa Paus sagt, dass die Sozialleistungen eine Bringschuld des Staates sind. Meines Erachtens ist es Aufgabe der Menschen, die Sozialleistungen in Anspruch nehmen wollen, sich aktiv darum zu kümmern.
Das gebietet der Respekt gegenüber denjenigen, die die finanziellen Mittel hierfür aufbringen, zum Teil auch unter Inkaufnahme von etwas, dass sich „Arbeitsleid“ nennt. Nicht immer ist Arbeit nämlich nur Spaß. Oftmals strengt sie auch an. Manchmal sind die Arbeitsbedingungen auch nicht toll, weil es draußen kalt ist oder die Luft im Industriebetrieb schlech. Und manchmal ist es einfach auch nur stressig, wenn Dinge auf Zeit zu erledigen sind. Die Liste ist lang.
Wenn die Familienministerin Paus nun von einer Bringschuld des Staates spricht, negiert sie diese Zusammenhänge. Der berühmte amerikanische Präsident John F. Kennedy hat einmal gesagt: „Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann. Frage, was Du für Dein Land tun kannst“. Von so einer Haltung, die für den Zusammenhalt und das Funktionieren unserer Sozialen Marktwirtschaft unverzichtbar ist und die unser Land so viele Jahre ausgezeichnet hat, scheint mir Frau Paus Lichtjahre entfernt.
Im Zuge des Energiepreisschocks ist die Inflation in Deutschland Ende des Jahres 2022 auf ein Hoch von 8,8 % gestiegen. Im Euro-Raum lag die Höchstmarke sogar bei 10,6 %. Zwar ist die Inflationsrate seither deutlich gefallen: Mit 2,5 % in Deutschland und 2,6 % im Euroraum lag die Teuerung der Verbraucherpreise zuletzt wieder in der Nähe des Stabilitätsziels von 2 %. Aber ist der Kampf gegen Inflation damit gewonnen? Leider nicht. Vielmehr sprechen zahlreiche Faktoren dafür, dass die Inflationsrate in den kommenden Jahren deutlich über der offiziellen Zielmarke von 2 % liegen wird.
Allen voran sind hier die Energiepreise zu nennen. Sie sind in den zurückliegenden Monaten deutlich gefallen. Allerdings ist dieser Rückgang vor allem zwei Faktoren geschuldet. Zum einen schwächelt die Weltwirtschaft. Mit rund 3 % in diesem Jahr wird der Zuwachs kaum über Rezessionsniveau liegen, das der IWF auf rund 2,5 % taxiert. Wegen der schwachen Produktion ist die globale Nachfrage nach Energie gering. Das aber wird sich mit dem erwartbaren Anziehen der Weltwirtschaft ändern, und die Preise für Energie werden wieder steigen – auch auf den europäischen Märkten. Zudem werden die CO2-Preise wieder anziehen. Auch hier macht sich derzeit die schwache Konjunktur bemerkbar. Als dauerhaft wird sich das aber nicht erweisen, auch weil ein steigender CO2-Preis Teil des Emissionshandels ist.
Ein zweiter wichtiger Punkt sind die Löhne. Der hohe Preisanstieg der Jahre 2022 und 2023 hat dazu geführt, dass die Lohnforderungen der Arbeitnehmer deutlich gestiegen sind. Und da Arbeitskräfte in Deutschland mittlerweile knapp sind, können die Lohnforderungen nun auch in einem sehr viel höheren Umfang durchgesetzt werden, als dies in den vergangenen Jahren der Fall war. Allein im Jahr 2023 sind die Tarifverdienste um 3,7 % gestiegen. In diesem Jahr dürfte der Zuwachs noch einmal deutlich höher ausfallen, weil die Reallohnverluste der letzten beiden Jahre zu einem hohen Erwartungsdruck bei den Beschäftigten geführt haben. In den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs waren solche Zuwächse in den westlichen Industrieländern kaum möglich, denn mit der Aufnahme des Ostblocks und Chinas in die Weltwirtschaft und dem steigenden Welthandel war das indirekte Angebot an Arbeitskräften in den westlichen Industrieländern deutlich gestiegen. Das hat seinerzeit den Lohnauftrieb über Jahre gedämpft.
Und mit dem Welthandel verbindet sich auch ein Faktor, der vermutlich allgemein am meisten unterschätzt wird: Der Preisdruck in den westlichen Industrieländern war über viele Jahre auch deswegen so niedrig, weil niedrige Importpreise die Preissetzungsspielräume bei heimischen Gütern begrenzt haben. Ein Blick auf die Importpreise zeigt diese Entwicklung deutlich: Zwischen 2010 und Ende 2019 sind die Preise für importierte Güter in Deutschland gerade mal um magere 0,7 % jährlich gestiegen. Damit haben sie den allgemeinen Preisauftrieb spürbar gedämpft. Jetzt hingegen ist es leider aber so, dass die vielen geopolitischen Spannungen den globalen Handel voraussichtlich auf Jahre belasten werden. Im langjährigen Durchschnitt ist der Welthandel um 6,3 % jährlich gestiegen. In den kommenden Jahren wird dieser Wert nicht ansatzweise zu erreichen sein. Damit fällt auch ein Großteil des Drucks weg, den die Importpreise auf die Inflation ausgeübt haben.
Und schließlich: Die extrem lockere Geldpolitik der letzten Jahre lässt sich im schwachen konjunkturellen Wachstum nur sehr schwer wieder bereinigen. Die Überschussliquidität, die sich auf den Bilanzen der Notenbank zeigt, wird erst in vielen Jahren wieder eingesammelt sein. Aber auch die Realzinsen befinden sich weiterhin auf niedrigem Niveau. Gemessen an der richtungsweisenden Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe liegt der Realzins gerade einmal in der Nähe der Nulllinie. Wirklich schwierig sind die Finanzierungsbedingungen für die Wirtschaft damit noch nicht, die Bremswirkung der Geldpolitik ist damit noch gering. All dies spricht eine sehr deutliche Sprache: Die Inflationsraten werden nach dem Rückgang der letzten Monate wieder steigen. Und alle, die auf rasche und zahlreiche Zinssenkungen der Notenbanken hoffen, dürften enttäuscht werden.
Um den Inflationsdruck dauerhaft zu dämpfen, braucht es jetzt eine konsequente Angebotspolitik. Dazu gehören, eine echte Strategie für die Fachkräfteeinwanderung, mit der wir die besten Köpfe nach Deutschland holen; das Chancenaufenthaltsrecht greift hier zu kurz. Eine deutliche Ausweitung des Energieangebots, indem neben Wind und Sonne endlich auch eine Strategie für Biomasse und Geothermie vorgelegt wird. Angekündigt ist diese Strategie von der Bunderegierung schon lange; sie fehlt aber bis heute. Und nicht zuletzt: Wir brauchen dringend neue Handelsabkommen. Bestes Beispiel ist hier das Mercosur-Abkommen, das schon lange ausgehandelt war, nun aber von der Regierung mit einem Zusatzprotokoll in die Länge gezogen wird.
Fazit: Nur wenn die Regierung die Bemühungen der Zentralbank wirtschaftspolitisch flankiert, besteht eine Aussicht darauf, dass wir den Kampf gegen die Inflation dauerhaft gewinnen.
Eine äußerst spannende Delegationsreise mit dem Wirtschaftsausschuss führte mich nach Argentinien und Uruguay. Warum diese Länder? Weil die zahlreichen geopolitischen Verwerfungen eines sehr deutlich gemacht haben: Deutschland muss seine strategischen Partnerschaften mit vielen Ländern stärken, gerade auch im Bereich der Sicherung von Energie und Rohstoffen. Und hier sind diese beiden Länder von großer Bedeutung. Uruguay investiert derzeit sehr viel in die Produktion von grünem Wasserstoff, weil hier die Bedingungen (Wind, Sonne, Fläche) hervorragend sind. Und Argentinien hat große Vorkommen an Kupfer und Lithium, zwei Rohstoffe, die für die klimafreundliche Elektrifizierung von Industrie und Gesellschaft unerlässlich sind.
In den Gesprächen mit dem Außenminister Uruguays, Omar Paganini, und der Industrieministerin, Elisa Facio, wurde eines sehr deutlich: Uruguay setzt sich vehement dafür ein, dass das Mercosur-Abkommen zwischen der EU und den Ländern Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay endlich ratifiziert wird. Seit 25 Jahren wird verhandelt, aber immer wieder kommt es zu Verzögerungen. Zuletzt auch deshalb, weil die deutsche Regierung auf ein Zusatzprotokoll gedrungen hat, in dem zusätzliche Bedingungen in den Bereichen Soziales und Umweltschutz festgeschrieben werden sollen. Nun sind das grundsätzlich ehrenwerte Ziele, die es auch für die Länder Lateinamerikas zu unterstützen gilt. Aber die unmittelbare Übernahme unserer Standards, die in Deutschland über Jahrzehnte im Zuge einer starken wirtschaftlichen Entwicklung entstanden sind, würde viele Länder im wirtschaftlichen Aufholprozess schlicht überfordern. Und wenn dadurch Abkommen nicht zustande kämen, stünden andere Länder bereit, hier einzuspringen, allen voran China. Und das hätte gewiss keine positiveren Folgen für die Umwelt.
Der zweite Teil der Delegationsreise führte mich nach Argentinien – leider ein Paradebeispiel dafür, wohin schlechte Politik führen kann. Die Inflation hat letztes Jahr 213 Prozent erreicht hat – ein unfassbar hoher Wert. Damit lag Argentinien in Sachen Preisstabilität weltweit auf dem letzten Platz. Die neue argentinische Regierung unter Staatspräsident Milei, seit nunmehr rund 80 Tagen im Amt, versucht alles, um das Ruder herumzureißen. In interessanten Gesprächen mit Außenministerin Diana Mondino sowie Vertretern aus Wirtschaftsministerium, Haushalts- und Finanzausschuss haben wir vor allem den Blick nach vorne gerichtet und hervorragende Voraussetzungen für eine argentinisch-deutsche Zusammenarbeit zwischen Argentinien und Deutschland ausgemacht: Argentinien hat nicht nur beste Bedingungen für die Produktion von klimafreundlicher Energie, die Deutschland dringend benötigt. Das Land verfügt auch über viele gut ausgebildete Arbeitskräfte, so dass eine Zusammenarbeit in der Wissenschaft und bei Firmenneugründungen ebenfalls viel Sinn macht. Fazit: Die Länder Lateinamerikas können wichtige Partner für uns sein. Und das könnte gerade in der aktuellen Weltlage stabilisierende Wirkung haben, sowohl für die einzelnen Länder als auch für die Weltgemeinschaft.
Die Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, sind zahlreich. Viele Probleme ließen sich auch ohne den Einsatz von Geld lösen. Ich denke hier an den dringend erforderlichen Bürokratieabbau, unter dem nahezu alle Unternehmen in Deutschland leiden, oder an neue Handelsvereinbarungen, die unsere Exportwirtschaft in der neuerdings so fragmentierten Welt dringend braucht. Auch im Bildungssektor ist Geld nicht immer die Lösung, wie viele international vergleichende Studien zeigen.
Für viele andere Probleme braucht es aber Geld, sehr viel Geld. Und das steht auch für den Staat nicht in unbegrenzter Höhe zur Verfügung. Allein für den Umbau unserer gesamten Gesellschaft zur Klimaneutralität wird die Rechnung mehrere hundert Milliarden Euro betragen. Zudem muss unsere Infrastruktur von der Schiene und den Straßen über die Schulen bis hin zu vielen Krankenhäusern ertüchtigt werden. Und auch der Preis für unsere Freiheit ist seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine deutlich gestiegen. Die Friedensdividende der neunziger Jahre, über die wir uns alle so gefreut haben, ist leider weg. Jetzt müssen wir unsere Ausgaben dauerhaft auf das Nato-Ziel von 2 % des Bruttoinlandsprodukts anheben – und zwar unabhängig davon, wer in den USA im November Präsident wird.
Wie soll das alles bezahlt werden? Im politischen Berlin gibt es einige, die hierfür eine Aufweichung unserer Schuldenbremse fordern. Sie machen dieses Instrument dafür verantwortlich, dass die finanziellen Mittel zur Verbesserung unserer Infrastruktur und unserer Wirtschaft fehlen. Prominentester Anhänger dieser These ist der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Keine Sitzungswoche vergeht, in der er nicht die Aufnahme neuer Schulden fordert, um die Transformation der Wirtschaft anstoßen zu können. Auch für die jetzt so notwendigen Steuerentlastungen fordert er eine Aufweichung der Schuldenbremse.
Schuldenbremse hat Verfassungsrang
Aber was sagt eigentlich die Schuldenbremse? Eingeführt wurde diese im Jahr 2011, und sie wurde zudem im Grundgesetz verankert. Sie hat also Verfassungsrang! Laut Artikel 109 GG müssen der Bund und die Länder ihre Haushalte ohne die Aufnahme von Krediten ausgleichen. Für den Bund gibt es allerdings eine Ausnahme. Er darf Schulden in Höhe von maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufnehmen. Nicht viel möchte man vielleicht meinen. Aber bei einem BIP von mehr als 4.000 Mrd. € sind allein dies knapp 15 Mrd. € jährlich. Zudem sieht die Schuldenbremse Ausnahmen für besondere Notlagen wie Wirtschaftskrisen oder Naturkatastrophen vor. Hieraus ergeben sich bei Erklärung einer Notlage noch einmal erhebliche Ausgabenspielräume. So lag im Jahr 2023 die Kreditaufnahme um satte 45 Milliarden Euro über dem Wert, der laut Schuldenregel zulässig gewesen wäre. Eingeführt wurde die Schuldenbremse vor allem, um zu verhindern, dass der Staat immer mehr Schulden macht, denn dies würde die kommenden Generationen benachteiligen und zu immer höheren Zinslasten führen. Die Gestaltungsspielräume im Haushalt würden damit immer geringer. Allein aus diesen Gründen halte ich die Schuldenbremse für sinnvoll. Es gibt aber noch ein weiteres Argument: Weil die Ausgabenspielräume nicht unbegrenzt sind, ist der Staat gezwungen, eine gute Balance aus Investitionen und Sozialausgaben zu finden. Neue Schulden werden nämlich viel zu selten für Investitionen in die Infrastruktur oder die Bildung genutzt. Meistens, so die politische Erfahrung der letzten Jahre hier und anderswo, dienen sie der Finanzierung neuer sozialer Wohltaten.
Schuldenbremse verhindert die unwichtigen Ausgaben
Ich sehe es daher so: Die Schuldenbremse verhindert nicht die wichtigen Ausgaben, sondern die unwichtigen. Heißt das, dass wir tatsächlich zu wenig Geld haben, um die Probleme der Zukunft zu bewältigen? Sicher nicht, denn Deutschland ist immer noch ein wohlhabendes Land mit prall gefüllten Steuertöpfen. Allein 1.000 Mrd. € haben Bund, Länder und Gemeinden im Jahr 2023 eingenommen, ein Rekord. Erforderlich ist aber, dass die Regierung die staatlichen Ausgaben besser priorisiert. Wenn die Transformation der Wirtschaft zu Klimaneutralität eine so wichtige Aufgabe für die Menschheit ist - eine Einschätzung, die ich übrigens teile -, dann muss die Regierung auch die Kraft haben, die Ausgaben entsprechend zu priorisieren, auch wenn dies an der einen oder anderen Stelle Einschnitte bedeutet. Zum Nulltarif wird Klimaneutralität jedenfalls nicht zu haben sein. Aber selbst dann wird es der Staat allein nicht schaffen. Erforderlich ist auch, dass er gute Rahmenbedingungen für private Investitionen schafft. Nur wenn dies gelingt, werden wir die Zukunft auch gewinnen.
Liebe Haanerinnen und Haaner,
es ist ermutigend zu sehen, dass so viele Menschen dieser Tage auf die Straße gehen und sich für Demokratie und eine freiheitliche Ordnung einsetzen, hier in Haan und an vielen anderen Orten in Deutschland.
Wir zeigen hier und heute: Wir fühlen uns für unser Land verantwortlich! Und hier finde ich gut, dass FÜR etwas eingestanden wird und nicht „gegen“ etwas.
Die Geschichte hat uns gelehrt: Demokratie ist nicht zum Nulltarif zu haben.
Ein Blick auf viele Länder der Welt lehrt uns: Ein Leben in Freiheit ist nicht selbstverständlich.
Tatsächlich ist es heute so, dass die Mehrheit der Menschen in einem unfreien System lebt. Und wenn wir uns einmal umschauen, ist das längst nicht so weit von uns weg, wie man vielleicht meint.
Und ich sage das auch ganz bewusst heute, dem Tag, dem sich der russische Angriffskrieg auf die Ukraine zum zweiten Mal jährt. Unsere Gedanken sind heute bei denjenigen die auch unsere Freiheit dort verteidigen.
Demokratie und Freiheit erfordern unseren Einsatz und unser Engagement: heute und jeden Tag – immer wieder aufs Neue.
Wenn wir aber sehen, dass in vielen Ländern dieser Erde – auch hier in Europa, in Deutschland – extremistische Parteien Zulauf haben, dann müssen wir uns auch fragen, warum?
Es reicht nicht, Parteien einfach verbieten zu wollen.
Hier hat das GG aus guten Gründen hohe Hürden gesetzt und am eigentlichen Problem würde es auch nichts ändern.
Was wir jetzt brauchen, ist eine inhaltliche Auseinandersetzung mit diesen Kräften.
Und dafür braucht es eine schonungslose Analyse: Warum haben diese Bewegungen so viel Zulauf? Wo haben wir Teile der Gesellschaft verloren?
Aus vielen Gesprächen und Zuschriften weiß ich: Längst nicht alle Menschen, die sich heute zu radikalisierten Parteien bekennen – egal ob von links oder rechts -, sind unreflektierter als wir.
Sie haben Anliegen mit denen sie sich nicht gesehen fühlen. Anliegen, die wir ernst nehmen müssen! Sie haben Themen, die lange vernachlässigt wurden. Und das sind tatsächlich Themen, die unsere Gesellschaft heute in vielen Bereichen an die Grenze der Belastbarkeit bringen – und in Teilen auch darüber.
Aber – und das ist das Entscheidende – sie müssen die Antworten und Lösungsansätze im demokratischen Spektrum bekommen, hier bei uns in der Mitte. In der Mitte der Gesellschaft, in der Mitte der Politik.
Und deswegen fordere ich alle hier auf: Bleiben Sie im Dialog mit den Menschen, die abzudriften drohen. Erklären Sie, warum es nicht immer schnelle oder einfache Lösungen gibt. Sagen Sie aber auch: Es gibt Lösungen!
In Hannover hat letzte Woche der frühere Bundespräsident Wulff daran erinnert, warum Deutschlands erste Demokratie, die Weimaer Republik, untergegangen ist:
Weil die Menschen das Gefühl verloren haben, für ihr eigenes Land, die eigene Gesellschaft, verantwortlich zu sein. Liebe Haanerinnen und Haaner, lassen Sie uns gemeinsam Verantwortung für unser Land und unsere Gesellschaft übernehmen.
Zum Schluss möchte ich noch eine Idee hier vortragen: Im Herbst sind wichtige Wahlen in drei Bundesländern. Nehmen sie sich ein Wochenende Zeit und fahren Sie in die neuen Bundeländer nach Sachsen, Brandenburg oder Thüringen. Unterstützen sie die demokratischen Kräfte vor Ort. Schreiben Sie die Kreisvorsitzenden Ihrer Parteien an und fragen Sie, wo kann ich helfen? Wo kann ich mich auf den Marktplatz stellen? Nicht weil wir es besser wissen als unsere demokratischen Freunde in den neuen Bundesländern, sondern weil wir gemeinsam mehr sind.
Aber auch für Europa steht dieses Jahr viel auf dem Spiel. Deshalb meine zweite Bitte: Gehen Sie am 9. Juni wählen! Lassen Sie uns auch hier Flagge zeigen und weiter eintreten für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit!
Nicht nur heute. Nicht nur hier in Haan, sondern überall dort, wo es dieser Tage darauf ankommt. Herzlichen Dank.
Der vierte Streik in der laufenden Tarifrunde war gleichzeitig der Längste. Fast eine Woche haben die Lokführer die Arbeit niedergelegt, so lange wie niemals vorher. Anders als zuvor mehrte sich in der Öffentlichkeit dieses Mal aber die Kritik am rigorosen Vorgehen der Lokführergewerkschaft GDL. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Ganz klar: Das Streikrecht ist ein hohes Gut, und es besitzt Verfassungsrang. Art. 9 Abs. 3 GG sichert allen Arbeitnehmern ein Streikrecht zu. Aber wie mit allen Rechten in freiheitlichen Gesellschaftsordnungen geht mit diesem Recht auch eine besondere Verantwortung einher. Der Streik muss verhältnismäßig sein. Zweifel hieran scheinen in zweierlei Hinsicht gerechtfertigt. So kann die Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gerade in Zeiten des immer größter werdenden Fachkräftemangels als durchaus ambitioniert bezeichnet werden - zumal sie zusätzlich zur Forderung einer Lohnerhöhung um 12 Prozent erhoben wird und zudem in kaum einer Branche die Regel ist. Zum Vergleich: Die Inflation lag 2023 bei 5,9 %, und LKW-Fahrer haben eine 39,5-Stunden-Woche.
Noch schwerer aber wiegt, dass die Lokführer mit Ihrem Streik die ganze Gesellschaft in Sippenhaft nehmen. Auf 100 Millionen € täglich wird der volkswirtschaftliche Schaden taxiert. Dabei sind Effekte wie höhere Staukosten, vermehrte Unfälle und eine stärkere Umweltbelastung noch gar nicht eingerechnet. Und hier unterscheidet sich dieser Streik von einem ganz normalen Arbeitskampf. Weder der Arbeitgeber (Staatsunternehmen Bahn) noch die Lokführer (de facto Arbeitsplatzgarantie) tragen das wirtschaftliche Risiko dieses Streiks. Es wird auf die Gesellschaft abgewälzt. Damit ergibt sich die Frage, ob in Bereichen, die zur kritischen Infrastruktur gehören, nicht besondere Regeln angebracht sind, die das Streikrecht schützen, dabei aber die Verhältnismäßigkeit des Streiks wahren. Denkbar wären:
1. verbindliche Regeln zur schnelleren Mediation oder Schlichtung;
2. längere Ankündigungsfristen;
3. ein Verbot von Streiks an gesetzlichen Feiertagen, so z.B. an und um Weihnachten oder Ostern;
4. die Einführung einer Regel, wonach es pro Unternehmen nur eine Gewerkschaft gibt.
Besonders der letzte Punkt scheint wichtig, denn bisweilen kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass es hier auch um einen Machtkampf zwischen der großen Eisenbahnergewerkschaft EVG und der sehr viel kleineren GDL geht. Beide Gewerkschaften wollen ihren Mitgliedern zeigen, dass sie das jeweils bessere Angebot herausgeholt haben. So kommt es zu Arbeitskämpfen, die im Vergleich zu anderen Wirtschaftssektoren sehr viel häufiger und länger sind.
Besonders ausgeprägt ist dieses Phänomen auch in der Luftfahrtindustrie, wo mal die Piloten, mal das Kabinenpersonal, dann die Fluglotsen oder die Ramp-Agents oder schließlich die Sicherheitskräfte streiken. Und all dies immer auf dem Rücken der Kundinnen und Kunden, die hierfür in Form höherer Preise zahlen. Und so ist es auch beim Bahnstreik: Am Ende steigen die Ticketpreise oder der Steuerzahler muss einspringen, indem er die Verluste der Bahn ausgleicht.
Der Handlungsbedarf ist beträchtlich, denn nur wenn sich die Kunden auf die Bahn verlassen können, werden Sie auch umsteigen und die Mobilitätswende unterstützen. Hierzu brauchen wir Investitionen in die Schiene, die der Staat - also wir alle - stemmen muss. Auf der Schiene brauchen wir aber mehr Wettbewerb, auch im Fernverkehr. Erst dann könnte ich mich über den Satz freuen, den ich am Ende meiner häufigen Bahnreisen immer wieder höre: „Vielen Dank, dass Sie sich heute für die Deutsche Bahn entschieden haben“.
Nach dem massiven Schub im Jahr 2022 hat sich die Inflationsrate wieder deutlich zurückgebildet. In Deutschland ist sie im November auf 3,2 % im Vorjahresvergleich gefallen, nach 8,8 % im November 2022. Im Euroraum wird für November sogar nur ein Wert von 2,4 % ggü. Vj. erwartet, was annähernd dem Inflationsziel der EZB entspricht. Ist der Kampf gegen die Inflation damit gewonnen? Leider nicht.
In einem viel beachteten Beitrag der FAZ sprach EZB-Direktorin Schnabel Anfang November davon, dass das Erreichen der 2 %-Marke auf den letzten Metern schwierig werden könnte. Begründet hat sie dies mit Basiseffekten, die sich in den kommenden Monaten umkehren werden. Diese Analyse teile ich, würde aber noch einen Schritt weiter gehen. Das Inflationsziel der EZB von 2 % dürfte für geraume Zeit nicht nachhaltig zu erreichen sein. Zahlreiche strukturelle Faktoren sprechen in den kommenden Jahren für einen Preisauftrieb, der deutlich oberhalb der Marke von 2 % liegt.
Zu nennen sind hier zum einen die Energiepreise. Auch wenn sie sich vom Hoch des Jahres 2022 deutlich gelöst haben, werden in den kommenden Jahren eher hohe Preise dominieren. Dies wird sich auch durch einen Anstieg des Anteils an Erneuerbarer Energie nicht grundlegend ändern. Völlig unterschätzt werden nämlich die Systemkosten, die mit der Produktion von Erneuerbaren Energien verbunden sind. Speicherkapazitäten, Reservekraftwerke, Fern- und lokale Verteilnetze: All das wird viel Geld brauchen und den Strompreis hochhalten, vor allem im Vergleich zu Ländern, die auf einen größeren Erzeugungsmix setzen. Die Sonne schickt eben doch eine Rechnung. Zudem wird der CO2-Preis in den kommenden Jahren kontinuierlich steigen müssen und Energie damit noch weiter verteuern. Denn auf aktuellem Niveau entfaltet er nicht die erforderliche Lenkungswirkung.
Negativ zu Buche schlagen werden beim Preisauftrieb aber auch die zahlreichen geopolitischen Verwerfungen. Sie führen zu einer De-Globalisierung mit dem Effekt, dass international tätige Unternehmen eben nicht mehr dort einkaufen und produzieren können, wo die Preise am niedrigsten sind. Sie diversifizieren, um z. B. die Resilienz in den Lieferketten zu stärken. Dies ist aus strategischer Sicht zu begrüßen, trägt aber auch unweigerlich zu einer Erhöhung des heimischen Preisdrucks bei. Wenn manchmal gefragt wird, warum der Preisauftrieb in den westlichen Industrieländern vor der Krise so viele Jahre so gering war, dann haben die Importpreise eine wesentliche Rolle gespielt. Sie haben Druck auf die Preise heimischer Produzenten ausgeübt, sehr zum Vorteil der Verbraucher. Und sie haben auch dazu beigetragen, dass der Lohndruck relativ gering geblieben ist, trotz rekordhoher Beschäftigung.
Damit wären wir beim dritten wichtigen Grund dafür, dass die Inflation in den kommenden Jahren sehr viel höher ausfallen wird, als in den Jahren zuvor: Der Arbeits- und Fachkräftemangel, der bereits jetzt hoch ist, wird sich in den kommenden Jahren noch erheblich verschärfen. Die Baby-Boomer, die in den kommenden Jahren massenhaft in Rente gehen werden, lassen grüßen. Dieser Effekt wird auch durch Zuwanderung nicht geheilt, denn zum einen werden wir nicht umhinkommen, die Zuwanderung in den kommenden Jahren stärker zu ordnen und zu steuern. So wies es derzeit abläuft, wird es unseren Bedürfnissen nicht gerecht. Und dann ist da die Frage, ob die Talente dieser Welt tatsächlich in großen Zahlen zu uns kommen werden, einem Land, das zu den höchsten weltweit in Sachen Steuern und Abgaben gehört.
All das spricht meines Erachtens dafür, dass die durchschnittliche Inflation in Deutschland und Europa in den kommenden Jahren bei deutlich über 2 % liegen wird. Dafür spricht zu guter Letzt auch, dass die Notenbanken in einem von schwachem Wachstum und negativen Angebotsschocks geprägten Umfeld nicht so auf die geldpolitische Bremse treten können, wie sie dies bei einer nachfrageinduzierten Inflation tun könnten. Die letzten Meter dürften also nicht nur schwierig werden, sie dürften kaum zu erreichen sein. Statt 2 % oder weniger, dürfte beim Preisauftrieb in den kommenden Jahren im Durchschnitt eher eine Drei vor dem Komma stehen. Dies hört sich zunächst vielleicht harmlos an, hat aber erhebliche Konsequenzen. Bei 2 % Inflation fällt die Kaufkraft von 100 € nach 15 Jahren auf 75 €. Bei 3 % ist dies bereits nach 10 Jahren der Fall; bei 4 % sind es nur 7 Jahre.
Quelle: Destatis; eigene Berechnungen; Prognose für die Jahre 2024 ff: stilisierter Verlauf.
Die zweite Sitzungswoche im November hatte es in sich. Das Bundesverfassungsgericht gab dem Antrag unserer Fraktion vollumfänglich statt und erklärte den 2. Nachtragshaushalt für das Jahr 2021, den die Ampelregierung im Jahr 2022 rückwirkend beschlossen hatte, für verfassungswidrig - und damit für nichtig! So etwas hatte es in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht gegeben. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Heizungsgesetz war dies bereits die zweite Klatsche, die sich die „Ampel“ binnen Jahresfrist vor dem Hohen Gericht in Karlsruhe eingefangen hat.
Geklagt hatten alle 197 Mitglieder unserer Fraktion, allerdings nicht, wie fälschlicherweise häufig behauptet wurde, gegen den Klima- und Transformationsfonds selbst, sondern gegen die Umwidmung der Mittel aus dem Corona-Topf. Mit diesem Manöver, dessen Konstruktion auf den damaligen Finanzminister Olaf Scholz zurückgeht, hat die Ampel gleich gegen mehrere Regeln guter Haushaltsführung verstoßen, nämlich die der Jährigkeit, die der Anlassbezogenheit sowie gegen die Grundsätze der Wahrheit und Klarheit. Lange hatte die Regierung für sich in Anspruch genommen, dass sie trotz der Vielzahl der zum Teil fragwürdigen Ausgabenprogramme die Schuldenbremse einhält. Zu nennen sind hier der Tankrabatt, das 9-Euro-Ticket oder die Energiepauschale – alles Maßnahmen, die wenig passgenau und vor allem teuer waren und überdies für das Klima wenig gebracht haben. Jetzt ist höchstrichterlich bestätigt, dass all dies nur mit einem verfassungswidrigen Buchungstrick möglich gemacht werden sollte.
Klimaschutz und Wirtschaft am Ende?
Jetzt stellt sich die Frage, was die Folgen des Urteils sind. Zunächst einmal ist es gut, dass die Politik der Ampel-Regierung jetzt ein Preisschild bekommt. Vorher wurde von ihr zu viel in sogenannten Sondervermögen versteckt. Aber ist damit auch der Klimaschutz am Ende, und bleibt die Wirtschaft in der Transformation auf der Strecke, so wie es Wirtschaftsminister Habeck in einer ersten, sichtbar angespannten Reaktion vernehmen ließ? Sicher nicht! Der Klima- und Transformationsfonds sieht über die kommenden vier Jahre Ausgaben in Höhe von 60 Milliarden Euro vor. Die damit jährlich verbundenen Projekte sollten bei einem Gesamtetat von 445 Milliarden Euro (Tendenz steigend) also durchaus zu stemmen sein. Erforderlich ist jetzt, Ausgaben zu priorisieren. Und da müssen der Klimaschutz und die Wirtschaft eine größere Priorität erhalten als Projekte wie das Bürgergeld, das die Anreize zur Arbeitsaufnahme in weiten Teilen zerstört hat, das Heizungsgesetz, das teuer ist und wenig für das Klima bringt oder die Kindergrundsicherung, deren Mittel nach Meinung vieler Experten bei den Kindern gar nicht ankommen werden. Und vielleicht wäre es auch sinnvoll, das geplante Erweiterungsgebäude fürs Kanzleramt, das mit knapp einer Milliarde Euro zu Buche schlägt, nicht zu bauen.
Noch wichtiger aber ist: Die Transformation der Wirtschaft kann natürlich auch weiterhin gelingen, wenn man es richtig macht. Dazu gehört, dass man den Unternehmen beim Umbau ihres Kapitalstocks mehr Spielräume lässt und vor allem auch auf Instrumente setzt, die kein Steuergeld kosten. Dazu gehört z. B. der Emissionshandel, der im Vergleich zu Leitmärkten oder Subventionsversprechen für „Leuchtturmprojekte“ das weit überlegene marktwirtschaftliche Instrument ist. Wenn die Transformation der Wirtschaft wirklich davon abhinge, dass Ministerien wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, federführend tätig sind, dann wäre sie wohl auch in 100 Jahren noch nicht abgeschlossen. Was es jetzt braucht, sind gute Rahmenbedingungen, Technologieoffenheit, eine intelligente Einbindung von privatem Kapital und die konsequente Nutzung marktwirtschaftlicher Instrumente, statt Dirigismus und Planwirtschaft Habeck’scher Prägung.
Auf keinen Fall darf die von der Regierung erklärte „Notlage“ zu weiteren Steuererhöhungen führen. Deutschland ist bereits jetzt ein Land, das seine Bürger massiv mit Steuern und Abgaben belastet. Wie für jeden privaten Haushalt, muss auch für den Staat gelten, dass er mit den zu Verfügung stehenden Mitteln auskommt – gerade in einer Zeit, in der sich auch die Menschen mit hohen Preisen und Investitionserfordernissen konfrontiert sehen.
Wohl kaum ein Thema hat die Menschen hier im Südkreis in den letzten Jahren so bewegt, wie die drohende Schließung der Krankenhäuser in Hilden und Haan. Zu Recht, möchte man sagen, weil eine gute Gesundheitsversorgung einfach elementar für uns alle ist. Zum Glück gibt es erste Anzeichen, dass es für das Krankenhaus in Hilden weitergehen kann. Aber auch für Haan gilt es, dranzubleiben, um doch noch zu einer guten Lösung kommen zu können, die zumindest eine ortsnahe Grundversorgung sicherstellt.
Leider sind diese Fälle keine Einzelfälle. Erst kürzlich musste in Essen das renommierte Krupp-Krankenhaus Insolvenz anmelden. Schätzungen zufolge droht das jeder fünften Klinik in Deutschland. Sterben immer mehr Krankenhäuser, gehen wertvolle Strukturen verloren, die nicht so ohne Weiteres ersetzt werden können. Damit drohen Versorgungslücken und lange Wartelisten, insbesondere in ländlichen Räumen.
Aber wie konnte es so weit kommen? Zur Wahrheit gehört, dass es im deutschen Gesundheitssystem, das nach den USA und der Schweiz zu den finanziell bestausgestatteten der Welt gehört, schon länger Probleme gibt. Hier sind Lösungen gefordert, mit denen die Effizienz im System gesteigert wird – und letztlich wohl auch die Verantwortung der Versicherten erhöht wird. Ich persönlich bin ein großer Freund der sogenannten „Sündensteuern“. Das sind Zuschläge auf den Konsum von Alkohol, Tabak und Zucker, die ganz direkt und unmittelbar dem Gesundheitssystem zur Verfügung gestellt werden. Auf diese Weise gäbe es eine engere Verzahnung zwischen persönlichem Verhalten und gesundheitlichen Folgekosten. Der Vorteil: Wer sich halbwegs gesund ernährt, kann seine Gesundheitskosten drücken.
Der aktuell immense Druck im System kommt aber aus zwei ganz anderen Quellen: Zum einen belasten die rasant gestiegenen Energiepreise die Budgets der Krankenhäuser enorm. Finanzielle Zuführungen aus den Hilfsprogrammen der Bunderegierung waren hier unzureichend. Zum anderen schlagen die Tariflohnsteigerungen aufgrund der hohen Inflation zu Buche. In Summe droht bis Ende des Jahres 2023 ein zusätzliches Defizit von satten 10 Milliarden Euro. Unternehmen am Markt würden in solch einem Fall den gestiegenen Kostendruck über höhere Preise an ihre Kunden weitergeben, zumindest einen Teil davon. Im Gesundheitssystem geht das indes nicht, denn hier sind die Preise für Behandlungen der Patienten unterjährig festgezurrt.
Also muss die Politik handeln. Doch leider zeigt sich Gesundheitsminister Lauterbach seit Monaten untätig. Statt die Krankenhäuser zeitnah zu entlasten, spricht er ganz offen von einem drohenden Krankenhaussterben und verweist gleichzeitig auf seine geplante Krankenhausreform. Viele Häuser haben aber nicht die Zeit, darauf zu warten, dass eine Reform endlich vorgelegt wird.
Wir haben als CDU/CSU deshalb schon im Juni einen Antrag in den Bundestag eingebracht, mit dem wir für schnelle Entlastung sorgen wollten.
Konkret haben wir drei Forderungen genannt:
1. Vorlage einer belastbaren Prognose, um den tatsächlichen Finanzbedarf der Krankenhäuser zu ermitteln.
2. Erarbeitung eines Vorschaltgesetzes auf Basis der Prognose, um Masseninsolvenzen von Krankenhäusern zu verhindern.
3. Berücksichtigung aller aktuellen Kostenentwicklungen bei den anstehenden Verhandlungen über die Vergütung der Krankenhäuser („Landesbasisfallwerte“).
Leider hat die Ampel-Koalition diesen Antrag abgelehnt. Jetzt liegt es also am Bundesgesundheitsminister. Nur wenn Herr Lauterbach die Krankenhäuser zügig mit einer Zwischenfinanzierung entlastet und seine Krankenhausreform endlich schneller voranbringt, kann wertvolle Infrastruktur im Gesundheitssystem gerettet werden. Die Zeit drängt!
Mit diesen Worten hat der damalige Bundespräsident Gauck sehr gut beschreiben, in welchem Spannungsgeld wir uns beim Thema Migration befinden. Wir wollen und müssen Menschen in Not helfen. Das verlangt unser christliches Menschenbild. Und zur Wahrheit gehört: Es gibt kaum ein Land auf dieser Erde, dass Flüchtlinge so großzügig aufnimmt und unterstützt, wie Deutschland. Wir dürfen und müssen dabei aber auch Belastungsgrenzen für unser Gemeinwohl im Blick haben. Denn tun wir das nicht, drohen soziale Verwerfungen und eine Stärkung der politischen Ränder. Diese Entwicklung müssen wir um jeden Preis verhindern; das lehrt uns die Geschichte.
Ich meine, wir müssen bei der Migration sehr viel stärker unterscheiden zwischen politisch verfolgten Menschen und denen, die aus wirtschaftlichen Gründen zu uns kommen. Im Grundgesetz steht: Politisch Verfolgte genießen Asyl. Dieses hohe Gut gilt es zu schützen. Die meisten Menschen, die zu uns kommen, kommen aber aus wirtschaftlichen Gründen zu uns. Und genau hier haben wir das Recht zur steuern und zu ordnen – genau wie jedes andere Land dieser Erde.
Leider unternimmt die Ampel-Regierung derzeit alles, um die Migration aus wirtschaftlichen Gründen zu verstärken. Pull-Faktoren wie das sogenannte „Bürgergeld“ werden gestärkt und mit dem „Chancenaufenthaltsrecht“ erhalten auch Menschen, die illegal zu uns gekommen sind, das Recht zu bleiben. Die Hürden hierfür sind niedrig gesetzt. Im Punktesystem reicht es, jünger als 35 Jahre zu sein, hinreichend deutsch zu sprechen (Level B1) und in den letzten fünf Jahren sechs Monate legal in Deutschland gewesen zu sein. Damit fördern wir die Migration junger Männer, die meistens ohne Familie zu uns kommen, und die sich gegen die Schwächeren im Einwanderungsprozess durchsetzen können. Nicht minder bedeutsam ist, dass auf diese Art und Weise Zuwanderung auch ohne fachliche Qualifikation möglich ist. Den Fachkräftemangel bekämpfen wir so ganz sicher nicht!
Die Zahlen müssen runter
Aktuell kommen so viele Menschen zu uns, dass die Belastungsgrenzen unserer Kommunen längst überschritten sind. Ich möchte an dieser Stelle auch einmal für das große Engagement der vielen Helfer vor Ort danken! Ohne dieses private Engagement wären unsere Kommunen unter der Last der Aufgabe längst zusammengebrochen. Wir schulden es den Menschen vor Ort aber auch, dass wir sie nicht überfordern. Was ist daher zu tun? Zuallererst müssen wir den Migrationsstrom begrenzen.
Um unsere sozialen Sicherungssysteme, unsere Kommunen, den Wohnungsmarkt, unsere Schulen, ja die Gesellschaft als Ganzes nicht zu überfordern, müssen die Migrationszahlen ganz einfach runter. Dazu brauchen wir wirksame Kontrollen an den Außengrenzen. Dass dies funktionieren kann, wird derzeit in Dänemark bewiesen. Positiver Nebeneffekt:
Das politisch extrem rechte Lager ist dort in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Auch müssen wir dazu übergehen, den Menschen in der ersten Aufnahmephase bis zum Asylbescheid Sachleistungen statt Geld zur Verfügung zu stellen. Den Menschen in Not wäre geholfen, und der Migration aus rein monetären Gründen wäre ein Riegel vorgeschoben. Erforderlich ist auch, die Liste der sicheren Herkunftsländer auszuweiten. Blockiert wird dies im Bundesrat aber seit Jahren allein durch die Partei der Grünen.
Das Thema Migration beschäftigt die Menschen derzeit so sehr wie kein anderes Thema. Das wissen wir aus einer Vielzahl von Befragungen, das weiß ich aber auch aus zahllosen Gesprächen mit den Menschen bei mir im Wahlkreis. Viele sind es ganz einfach leid, dass über dieses Thema immer nur geredet wird, und dass die Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Hessen seit Monaten Wahlkampf macht, statt dieses Problem energisch anzugehen. Die Zeit zu handeln ist jetzt!
Der Sommer – die für mich und sicher auch für viele andere schönste Jahreszeit – neigt sich leider dem Ende. Gut ist aber, dass es damit auch im Parlament wieder losgeht. Sehe ich die Vielzahl an Problemen und Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, haben wir wahrlich keine Zeit zu verlieren. Aber Tempo ist nicht alles. Mindestens genauso wichtig ist, dass wir gute Entscheidungen treffen, die zu mehr Wachstum führen. Deutschland ist unter der Ampel-Regierung wirtschaftlich in Rekordzeit leider wieder zum „kranken Mann Europas“ geworden, ein bedauernswerter „Titel“, den wir 2005 schon einmal innehatten.
Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. Zwar spielen Einflüsse von außen eine Rolle, wie der Ukraine-Krieg oder die wirtschaftlichen Probleme Chinas, ein für uns wichtiges Abnehmerland. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass eine in weiten Teilen völlig fehlgeleitete Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition zu einem enormen Verlust an Vertrauen bei den Menschen und den Unternehmen geführt hat, der sich in einer ausgeprägten Konsum- und Investitionsschwäche niederschlägt. Stichworte sind das verkorkste Heizungsgesetz, der neuerliche Bürokratieaufwuchs oder die völlig einseitige Energiepolitik. Schwenkt die Ampel-Koalition nicht unverzüglich um, dann müssen wir uns wohl auf einen Verlust an industrieller Wertschöpfung und eine längere Phase sehr schwachen Wachstums einstellen.
Womit wir beim Geld wären. Schwaches Wachstum und steigende Zinsen bedeuten, dass die finanziellen Spielräume Deutschlands immer enger werden. Die Zeit der stetig steigenden Steuereinnahmen ist vorbei. Und höhere Steuern in einem Land, das bereits jetzt unter einer extrem hohen Steuern- und Abgabenlast leidet, wären das völlig falsche Signal. Wichtig ist deshalb gerade jetzt, dass im Bundeshaushalt die Weichen richtig gestellt werden. Gut also, dass die zweite Jahreshälfte mit einer Haushaltswoche beginnt, in der das Parlament den Bundeshaushalt des Jahres 2024 in erster Lesung beraten wird. Worauf kommt es beim Haushalt jetzt an? Ich meine, auf zwei Dinge: Zum einen müssen die Ausgaben in Zeiten knapper Kassen stärker priorisiert werden. Viel zu wenig Geld geben wir für Investitionen aus. Gerade einmal zwölf Prozent beträgt der Anteil des Bundeshaushalts, der in Investitionen wie die Infrastruktur oder die Bildung fließt. Viel zu viel Geld wird dagegen für Transfers und Sozialleistungen ausgegeben. Allein der Etatposten „Arbeit und Soziales“ schlägt im Entwurf des Bundeshaushalts mit 171,6 Mrd. € zu Buche, ein Plus von 3,3 Prozent gegenüber diesem Jahr.
Damit macht allein dieser Posten knapp 40 Prozent des gesamten Haushalts in Höhe von 445,7 Mrd. € aus. Für das Ministerium für Bildung und Forschung sind 20,3 Mrd. € veranschlagt (ein Minus von 5,4 Prozent), für das Umweltministerium gibt es magere 2,4 Mrd. €, ein Minus von zwei Prozent.
Hier rächt sich, dass die Ampel in Rekordzeit neue Ansprüche auf den Weg gebracht hat. Allen voran ist hier das sogenannte „Bürgergeld“ zu nennen, das die Anreize zur Arbeitsaufnahme massiv unterwandert. Inzwischen wird es von rund 5,5 Millionen Menschen in Anspruch genommen. Davon sind 3,9 Millionen Menschen erwerbsfähig, und 1,8 Millionen haben keinen deutschen Pass. Aber auch der Kreis derjenigen, die Anspruch auf Wohngeld haben, ist von 600.000 auf zwei Millionen ausgeweitet worden. Und jetzt kommt noch die sogenannte „Kindergrundsicherung“, die ebenfalls Milliarden Euro verschlingen wird, ohne dass wir wissen, ob das Geld auch wirklich bei den Kindern ankommt. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Kinder sind unsere Zukunft, sie müssen bestmöglich gefördert werden. Aber statt Transfers zu erhöhen wäre es besser, für gute Schulen zu sorgen, in denen Kinder gut ausgebildet werden, eine regelmäßige Verpflegung erhalten und von kulturellen bzw. sportlichen Angeboten profitieren.
Das bringt mich zum zweiten Punkt: Die Zeit der fiskalischen Gießkanne muss endlich vorüber sein. Ob Energiepauschale, Strom- und Gaspreisbremse oder 9-Euro-Ticket: Immer wieder deckt die Ampel-Koalition zum Teil selbst verschuldete Probleme mit Geld zu. Diese Transfers werden dann unterschiedslos an alle verteilt. Ich meine, dass es Zeit ist für eine sehr viel passgenauere Unterstützung derjenigen, die die staatliche Hilfe wirklich brauchen. Dazu braucht es endlich die Möglichkeit, Hilfen gezielt auszuzahlen. Versprochen wird ein solches System vom Finanzminister schon lange. Auf den Weg gebracht ist es bis heute nicht. Ich habe es schon in meinem Wahlkampf gesagt und wiederhole es hier gerne noch einmal: In der Krise zählt jeder Euro doppelt! Deswegen werden wir die Ampel in der Haushaltswoche auf Unzulänglichkeiten in der Finanzplanung hinwiesen, nicht nur für das Jahr 2024, sondern auch darüber hinaus. Eine Umgehung der Schuldenbremse durch immer neue Schatten- und Nebenhaushalte, wie sie gerade von den Grünen und der SPD immer wieder ins Spiel gebracht wird, tragen wir nicht mit. Die Regierung hat allein im letzten Jahr 500 Mrd. € neue (!) Schulden beschlossen. Im Interesse der künftigen Generationen, die ebenfalls finanzielle Gestaltungsspielräume brauchen und finanziell nicht überfordert werden dürfen, werden wir der Ampel diese ungehemmte Schuldenpolitik nicht durchgehen lassen.
In den zurückliegenden Monaten lag der Fokus der Regierungspolitik auf einer Reihe von Themen, die teils den aktuellen Ereignissen geschuldet waren (Ukraine-Krieg, Energiekrise), teils aber auch lange gehegten ideologischen Absichten folgten (feministische Außenpolitik, wertebasierte Handelspolitik). Wenig Beachtung fand hingegen die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands. Gefangen in dem Irrglauben, die deutsche Wirtschaft werde so oder so stark bleiben und an die gute Vor-Corona-Zeit nahtlos anknüpfen können, haben alle möglichen Themen dominiert, nur nicht das Wirtschaftswachstum. Bisweilen hatte man das Gefühl, im Wirtschaftsministerium arbeitet ausschließlich ein Klimaschutzminister, den die wirtschaftlichen Belange allenfalls am Rande interessieren.
Besonders deutlich wurde dies bei der Energieversorgung. Immer wieder war aus dem Wirtschaftsministerium zu hören, dass Deutschland gut durch den Winter gekommen sei, weil eine akute Energiemangellage abgewendet werden konnte. Das war aber nur die halbe Wahrheit. In der größten Energiekrise der deutschen Wirtschaftsgeschichte wurde nämlich versäumt, wirklich alle heimischen Quellen zu nutzen. In der Folge leidet die deutsche Wirtschaft bis heute unter viel zu hohen Energiepreisen.
In zwei Bereichen sind die größer werdenden wirtschaftlichen Probleme zuletzt sehr deutlich zu Tage getreten: Bei den ausländischen Direktinvestitionen und bei den offiziellen Zahlen zum Wachstum der deutschen Wirtschaft. Während ausländische Investitionen in Deutschland im Jahr 2022 gerade einmal 10,5 Mrd. € betrugen, investierten deutsche Unternehmen im Ausland rund 135 Mrd. €. Dies war der größte Netto-Abfluss, der jemals gemessen wurde. Ebenso ernüchternd ist der Befund beim Wachstum. Im Winterhalbjahr 2022/23 ist die deutsche Wirtschaft in eine Rezession gefallen, und ein echter Aufschwung, der diesen Namen auch verdient, ist nicht in Sicht. Im Gegenteil: Einschlägige Konjunkturindiaktoren (Ifo, PMI, …) haben zuletzt sehr deutlich gezeigt, dass die wirtschaftlichen Schwierigkeiten eher noch zunehmen. Das besonders ärgerliche daran: Während die Prognose für die Weltwirtschaft vom IWF zuletzt sogar nach oben korrigiert wurde, gab es für Deutschland eine Abwärtskorrektur auf minus 0,3 Prozent.
Ich habe in den zurückliegenden Monaten in mehreren Reden im Plenum des deutschen Bundestags ausgeführt, warum wir uns auf ein äußerst schwaches Trendwachstum einstellen müssen, es sei denn, die Ampel-Koalition nimmt endlich auch die Wirtschaftspolitik in den Blick und handelt. Der damalige Präsidentschaftskandidat Bill Clinton rief Anfang der neunziger Jahre seinem Wahlkampteam zu: „It’s the economy, stupid“ (Es ist die Wirtschaft, Dummkopf). Warum? Weil er davon überzeugt war, dass es in der für Amerika schwierigen wirtschaftlichen Situation Anfang der neunziger Jahre politisch einen starken Fokus auf die Wirtschaft geben muss. Recht hatte er! Auch heute möchte man der Ampel wieder zurufen: „It’s the economy!“
Was ist daher zu tun? Natürlich müssen wir an der Bekämpfung des Klimawandels festhalten. Gleichzeitig braucht es aber auch eine grundlegende Neuausrichtung in der Wirtschaftspolitik, wie insbesondere das völlig verkorkste Heizungsgesetz von Bundesminister Habeck mehr als deutlich gezeigt hat.
Statt Vorschriften, Verbote und Vorgaben braucht es mehr Markt, mehr Forschung und Bildung sowie mehr Innovationen und Investitionen. Nur so wird es gelingen, die industrielle Basis zu erhalten und Deutschland zu einem klimaneutralen Industrieland zu machen.
Aber auch darüber hinaus gibt es zahlreiche Dinge zu tun. Wir brauchen ein Fachkräfteeinwan-derungsgesetz, das die richtigen Talente anlockt. Das neue Punktesystem der Regierung wird diesem Anliegen nicht einmal ansatzweise gerecht (siehe hierzu auch meinen Newsletter vom Juni 2023). Auch braucht es insgesamt weniger Bürokratie, nicht mehr. Aber leider hat auch hier die Ampel die Dinge eher schlechter gemacht, wie der Normenkontrollrat in seinem Bericht für das Jahr 2022 ausgeführt hat. Und es braucht vor allem mehr Vertrauen der Wirtschaft in die Pläne und das Handeln der Regierung. Nur wenn die Regierung sehr viel deutlicher macht, dass ihr eine starke wirtschaftliche Entwicklung ein echtes Anliegen ist, und dies auch mit Taten wie z. B. einer längst überfälligen Unternehmenssteuerreform unterfüttert, dürften wieder mehr Unternehmen am Standort Deutschland festhalten und die wirtschaftliche Dynamik steigen.
Die deutsche Wirtschaft ist im Winterhalbjahr 2022/23 in eine Rezession gefallen. Zwei Quartale in Folge ist die Wirtschaftsleistung geschrumpft. Leider ist auch für das Gesamtjahr 2023 ein deutliches Minus zu erwarten, denn die erhoffte Belebung der Konjunktur dürfte allenfalls sehr mager ausfallen. Wichtige Konjunkturindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex signalisieren bestenfalls noch Stagnation.
Im Parlament höre ich von den Fraktionen der Regierung immer wieder: Was können wir dafür? Die Schwäche haben wir geerbt. Hier widerspreche ich ausdrücklich. Nach fast zwei Jahren im Amt ist es an der Zeit, dass die Ampel Verantwortung für ihr Handeln übernimmt. Diese Rezession ist vor allem die Rezession der selbsternannten Fortschrittskoalition. Drei Gründe sind dafür maßgeblich:
Erstens, In der größten Energiekrise unseres Landes hat die Regierung eben nicht alle verfügbaren heimischen Energiequellen genutzt, um das Angebot an Energie sicher und bezahlbar zu halten. „Whatever it takes“, sozusagen. Ich denke hier vor allem an die sechs Kernkraftwerke, die im Frühjahr des Jahres 2022 noch zur Verfügung standen. Sie zumindest für eine gewisse Zeit weiter zu nutzen, wäre ein starkes Zeichen gewesen, dass die Energieverfügbarkeit und die Preisbildung auf den Märkten positiv beeinflusst hätte. So zumindest machen es alle großen Industrieländer um uns herum. Selbst Japan geht diesen Weg.
Der zweite wesentliche Grund ist der private Konsum. Er ist im ersten Quartal dieses Jahres nahezu eingebrochen. Auch hier rächt sich, dass die hohen Energiepreise zu einem Preisanstieg - und damit Kaufkraftverlust - geführt haben, den die Ampel mit all ihren Hilfs- und Sofortprogrammen nicht einmal ansatzweise auffangen kann – zumal diese Hilfsprogramme vom Steuerzahler selbst bezahlt werden. In diesem Zusammenhang schlägt auch negativ zu Buche, dass die Ampel Schulden macht, als gäbe es kein morgen. 500 Milliarden Euro „Sondervermögen“ allein im Jahr 2022. Die ökonomische Literatur ist sich im Grund einig, dass so hohe Schulden bereits die Konsum- und Investitionslaune ganz unmittelbar negativ beeinträchtigen können. Warum? Weil die Menschen wissen, dass die schuldenfinanzierten Ausgabenprogramme von heute die Steuern von morgen sind. Viele Ampelpolitiker fordern ja auch schon heute ganz ungeniert höhere Steuern. Da darf es niemanden verwundern, wenn die Menschen bereits heute reagieren und ihr Geld zusammenhalten.
Und drittens: Was für die Menschen gilt, gilt auch für die Unternehmen. Deutschland hat im OECD-Bereich mit die höchsten Unternehmenssteuern. An Entlastungen dürfte die Regierung aber wohl so lange nicht denken, wie sie das hart erarbeitete Geld der Steuerzahler mit wenig passgenauen Ausgabenprogrammen mit vollen Händen ausgibt. Ich nenne hier nur das 9-Euro-Ticket, den Tankrabatt, die 300-Euro-Energiepausschale oder die zahlreichen Energiepreisbremsen: Alles Maßnahmen, die unabhängig von der persönlichen Einkommenssituation gewährt wurden. Dabei wären Steuererleichterungen für die Unternehmen gerade jetzt angezeigt. Der Umbau der Wirtschaft zur Klimaneutralität erfordert enorm hohe Investitionsausgaben. Geld, das für das eigentliche Kerngeschäft nicht mehr zur Verfügung steht. So belastet der Umbau gleich zweimal: Er erfordert hohe finanzielle Mittel, um einen bestehenden Kapitalstock auszutauschen. Und er reduziert die Mittel, die für die Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle dringend erforderlich wären.
Alles in allem ist es daher an der Zeit, dass die Ampel-Koalition Verantwortung für die wirtschaftlichen Folgen Ihres Tuns übernimmt. Immer nur auf die Vorgängerregierung zu verweisen, greift hier eindeutig zu kurz, zumal die Jahre 2010 bis 2020 in wirtschaftlicher Hinsicht ausgesprochen gute Jahre waren. Deutschland ist in dieser Zeit zur Konjunkturlokomotive Europas geworden. Jetzt sind wir wieder da, wo wir nach sieben Jahren roter-grüner Regierung im Jahr 2005 schon einmal standen, als wir der „kranke Mann Europas“ waren.
Meine Rede dazu im Bundestag.
Zu den wohl bemerkenswertesten Ausschusssitzungen, an denen ich in Berlin bislang teilgenommen habe, gehörten die beiden Sitzungen im Mai, in denen Robert Habeck gemeinsam mit vier Staatssekretären zur Personalpolitik des Wirtschaftsministeriums und zu möglichen Interessenskonflikten Rede und Antwort standen. Bemerkenswert waren diese Ausschusssitzungen, die die Ausschüsse Wirtschaft sowie Klima und Energie gemeinsam durchführten, gleich in mehrfacher Hinsicht.
Zum einen offenbarten sie ein verbesserungsfähiges Demokratieverständnis der Regierung. Die erste Sitzung, die wir ausdrücklich als öffentliche Sitzung durchführen wollten, wurde mit den Stimmen der Ampelkoalition zu einer nicht-öffentlichen Sitzung gemacht. Und in der zweiten Sitzung wurde den fragenden MdBs dann pro Runde und Fraktion gerade noch eine Minute zugestanden. Allein dies war eine gravierende Beschneidung des Fragerechts von Abgeordneten. Hinzu kam, dass der Minister und seine Staatsekretäre die Fragen dann in einem Aufwasch abarbeiten durften, statt jede Frage unmittelbar und direkt zu beantworten. Transparenz sieht anders aus!
Nicht minder bemerkenswert war aber auch das mediale Interesse an den beiden Sitzungen. Während bei der ansonsten strikt inhaltlichen Arbeit der Ausschüsse sehr selten einmal ein Journalist vorbeischaut, gab es bei den Sitzungen zur Personalpolitik im BMWK ein großes Aufgebot an Vertretern der schreibenden Zunft und des Fernsehens. Leider ist es wohl so, dass wir Politiker mit inhaltlicher Arbeit sehr viel schwieriger Zugang zu den Verbreitungskanälen unserer medialen Gesellschaft finden, als mit Schlagzeilen zur Vettern- und Clanwirtschaft.
Apropos Vetternwirtschaft: Sehr deutlich wurde in den Befragungen, wie groß die Verstrickungen im Bundeswirtschaftsministerium sind. Staatssekretär Graichen wollte seinen Trauzeugen ohne vorherige Information der Findungskommission zum Chef der Bundesbehörde DENA machen. Ein Fehler, wie er und sein Minister in der Sitzung unumwunden zugaben. Öffentlich wurde auch, dass der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND e.V.), in dem die Schwester von Patrick Graichen Mitglied des Vorstandes ist, auf Geheiß des Staatssekretärs finanzielle Zuwendungen in Höhe von 600.000 Euro aus dem Ministerium erhielt.
Bei der Befragung des StaatssekretärsPhilipp wurde im Detail bekannt, dass er als ehemaliger Private Equity Manger über vier direkte Beteiligungen an jungen Unternehmen verfügt. Da zum Geschäftsbereich von Herrn Philipp auch die Förderung von Startups gehört, wäre es mehr als ratsam gewesen, diese Beteiligungen vor Amtsantritt zu veräußern. Und auch, wenn dies nicht einfach ist, einen Versuch wäre es wert gewesen.
Herr Habeck hat in der Befragung dann schärfere Transparenzregeln gefordert, weil ja auch andere Abgeordnete über Fondsvermögen mit Einzelaktien verfügen. Dieser Vergleich offenbart aber ein mangelndes Verständnis über die Natur von Finanzinvestitionen. Während bei direkten Beteiligungen ein mitunter erhebliches Mitsprechrecht besteht, ist der Einfluss in einem Fonds mit börsennotierten Aktien nahezu Null. Nennenswerte Interessenskonflikte drohen vor allem im Fall von direkten Beteiligungen.
Mancher mag sich fragen, warum wir als Opposition so sehr auf die Aufarbeitung der Personalpolitik und auf die strikte Anwendung der Compliance-Regeln im BMWK drängen. Mit den Worten unseres Fraktionsvorsitzenden Friedrich Merz möchte ich es einmal so beschreiben: Weil wir im Wirtschaftsministerium mehr Marktwirtschaft statt Vetternwirtschaft brauchen – zumal in einer Zeit multipler Krisen.
Unausgegoren, unsozial und klimaunverträglich? Mit deutlichen Worten kritisiert Dr. Klaus Wiener das Gebäudeenergiegesetz der Ampel-Koalition. Gemeinsam mit seiner CDU/CSU-Bundestagfraktion setzt er stattdessen auf Technologieoffenheit, Emissionshandel und verlässliche Förderung.
„Das Gebäudeenergiegesetz ist unsozial und erweist dem Klimaschutz einen Bärendienst“, skizziert der heimische Bundestagabgeordnete Dr. Klaus Wiener seine Ablehnung des aktuell vieldiskutierten Vorhabens der Bundesregierung und gibt zu bedenken: „Wie genau eine Förderung des Heizungsumbaus ausgestaltet sein soll, ist noch völlig offen. Und die Leidtragenden dabei sind die Bürger.“
Der CDU-Politiker, selbst auch Mitglied im Umweltausschuss, führt dazu aus: „Wir wollen eine Wärmewende, die mit und nicht gegen die Bürger gelingt. Diese Politik der Ampel-Koalition jedoch verunsichert Millionen Eigentürmer und Mieter. Einseitig auf die Wärmepumpe zu setzen, führt in die energiepolitische Sackgasse.“
Seine Lösungsansätze: Wir brauchen neben der Wärmepumpe die ganze Breite klimafreundlicher Lösungen – von hybriden Systemen über Pellets bis hin zu Nah- und Fernwärmenetzen. Diese Alternativen spielen im Handeln der Regierung aber kaum eine Rolle.“ Wieners Kritik dazu: „Wie schon im Verkehr, wo der Fokus ausschließlich auf der E-Mobilität liegt, gibt es für die Regierung beim Thema ‚Wärme‘ mit der Wärmepumpe nur ein allein selig machendes Mittel. Technologieoffenheit sieht anders aus.“
Die Wärmewende werde aber nur zum Erfolg, wenn dabei für jedes Haus die individuell beste Lösung ermöglicht werde, und bei der Umsetzung keine finanziellen Überforderungen entstünden. Dabei verweist der CDU-Abgeordnete auf ein großes pragmatisches Problem: „Schon im kommenden Jahr müssen rund 900.000 Heizungen ersetzt werden. Geräte und Fachpersonal dafür reichen aber nur für etwa 500000 klimafreundliche Heizungen! Für viele Menschen ist daher unklar, wie sie mit der Situation umgehen sollen.“
Zudem konnte sich die Ampel-Regierung noch gar nicht auf die Finanzierung der versprochenen Unterstützung einigen. Wieners Fazit: Es wäre besser gewesen, die Umstellung der privaten Haushalte auf klimaschonende Heizungen so zu belassen, wie dies von der vergangenen Bundesregierung beschlossen worden war: Mit einer angemessenen Förderung der privaten Haushalte und festem Vertrauen in die Wirkungsmechanismen der gerade in dieser Woche ebenfalls beschlossenen europäischen Regelungen für die zukünftige Bepreisung von CO2–Emissionen. Mit ihrem öffentlichen Streit aber schafft die Regierung maximale Verunsicherung und riskiert die Akzeptanz der Bürger für die notwendige Wärmewende.“
Die Erinnerungen an das Jahr 2008 sind noch allzu frisch: Nach dem Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers kam es zu einer globalen Finanzkrise ungeahnten Ausmaßes. Neben einer tiefen Rezession, in der die Wirtschaftsleistung Deutschlands um nie dagewesene 5,7 % fiel, mussten etliche Institute mit staatlichen Mitteln gerettet werden, also auf Kosten der Steuerzahler. Und zahlreiche davon haben schlicht nicht überlebt, so auch die einst stolze und große WestLB aus unserer Region. Ein „too big to fail“ dürfe es nie wieder geben, so das einhellige Mantra von Zivilgesellschaft, Politik und Aufsicht damals.
Leider mussten wir im letzten Monat erneut erleben, dass Finanzinstitute in den USA zusammengebrochen sind (Silicon Valley Bank, New Yorker Signature Bank) oder in der Schweiz der Konkurs einer Traditionsbank nur mit Hilfe einer Mega-Fusion abgewendet werden konnte (Credit Suisse). Droht also eine neue Finanzkrise? Bei aller gebotenen Vorsicht glaube ich nicht, dass dies der Fall ist.
Zum einen sind die Probleme hausgemacht. Im Falle der Credit Suisse haben zahlreiche Managementfehler zur Schieflage geführt; eine systemische Krise ist damit nicht verbunden. Zum anderen sind die Probleme heute anders gelagert als im Jahr 2008. Während in der großen Finanzkrise zahlreiche sogenannte strukturierte Produkte aufgrund des Platzens der Immobilienblase nahezu wertlos geworden sind, liegen dem Problem heute werthaltige Papiere wie Staatsanleihen zu Grunde. Hier ist es aufgrund der Zinswende zwar zu Bewertungsverlusten gekommen, diese bauen sich mit der Zeit aber ganz automatisch ab. Denn zurückgezahlt werden Anleihen in der Regel zum vollen Nennwert. Und sollten Liquiditätsengpässe entstehen – etwa weil viele Kunden gleichzeitig ihre Einlagen abziehen – haben die Notenbanken bereits signalisiert, dass die Geschäftsbanken werthaltige Anleihen als Sicherheit ohne Abschläge hinterlegen können. Damit hätten sie das Geld für ihre Kunden.
Ein weiteres Argument gegen eine neue Krise ist die deutlich gestärkte Finanzkraft der Banken. Nach der weltweiten Finanzkrise 2008 wurden zahlreiche Regeln erlassen, mit denen das Eigenkapital gestärkt wurde. Dies ist Geld, das für den Fall von Verwerfungen zur Verfügung steht. Zudem mussten Banken den Aufsichtsbehörden genaue Pläne vorlegen, wie sie für den Fall einer Krise entweder gerettet werden können oder in die Abwicklung gehen. Auch dies hat das Risikobewusstsein geschärft und die Widerstandskraft des Finanzsystems erhöht.
Eine Frage wirft die aktuelle Situation aber gleichwohl auf: War es richtig, dass die amerikanische und vor allem auch die europäische Notenbank die Zinsen so lange und so nachhaltig gedrückt haben? Null- und Negativzinsen haben das Umfeld für Jahre geprägt. Ich habe schon vor meiner Zeit als Abgeordneter im Bundestag immer wieder gewarnt, dass hier Risiken für die Finanzstabilität entstehen. Aus meiner Sicht war immer klar, dass Zinsen unterhalb der Nulllinie nicht dauerhaft Bestand haben werden. Meines Erachtens war es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einer Zinswende kommt. Und genau die wurde jetzt durch den Inflationsschub der letzten Monate ausgelöst.
Zudem muss sich die Geldpolitik die Frage gefallen lassen, ob sie mit ihren vielen „ungewöhnlichen“ Maßnahmen wie der Nullzinspolitik oder den massiven Ankäufen die Grenzen ihres Mandats überschritten und in andere Politikbereiche eingegriffen hat, so etwa in die Finanzpolitik oder die Sozialpolitik. Hierauf hat auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom Mai 2020 hingewiesen. Damals hat das Hohe Gericht sowohl die Bundesregierung als auch das Parlament aufgefordert, von der EZB eine intensivere Prüfung der Verhältnismäßigkeit ihres Tuns zu verlangen. Diese Aufgabe gilt m. E. unvermindert weiter, und sie treibt mich im politischen Berlin immer wieder aufs Neue an.
Es war eine intensive Debatte, die wir in den letzten Wochen um die Lieferung von weiteren schweren Waffen and die Ukraine geführt haben. Nun steht die Entscheidung: Deutschland wird gemeinsam mit seinen Verbündeten Kampfpanzer liefern.
Ich weiß, dass viele Menschen Sorgen haben. Geht mit dieser Entscheidung eine weitere Eskalation des Konflikts einher? Werden wir damit Kriegspartei? Und kommt als nächstes möglicherweise die Forderung nach Kampfjets? Ich kann diese Sorgen sehr gut verstehen. Niemand in der freien Welt will diesen Krieg. Und wir müssen wirklich alles daran setzen, dass uns der Spagat gelingt: Wir wollen der Ukraine in ihrem Freiheitskampf helfen. Die kriegerische Auseinandersetzung darf aber auch nicht unkontrolliert eskalieren. Einen Krieg zwischen der NATO und Russland kann niemand ernsthaft wollen - selbst der russische Präsident nicht.
Warum ist die Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, dann richtig? Zum einem aus humanitären Gründen. Putin plant nach allem, was wir wissen, eine Frühjahrsoffensive. Diese wird weiteres unsagbares Leid für die Bevölkerung der Ukraine mit sich bringen. Wir müssen den Ukrainern helfen, damit sie sich gegen den Aggressor wehren können. Meine Hoffnung ist, dass Putin sich überlegt, ob es klug ist, diesen Krieg mit immer schärferen Mitteln weiterzuführen, wenn der Westen erkennbar so eng zusammensteht.
Es gibt aber einen weiteren sehr wichtigen Grund. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit führt ein Autokrat unter dem Schutz seines Atomwaffenarsenals einen reinen Angriffskrieg. Das war selbst in den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges anders. Die Ländergrenzen wurden respektiert. Kommt Putin mit seiner perfiden Strategie durch, gibt es vielleicht kein Halten mehr. Denn das Dilemma, vor dem wir jetzt stehen, wäre bei einem Angriffskrieg gegen ein anderes Land erneut gegeben. Putin darf verstehen, dass niemand Russland angreifen will. Das hat sich m. E. auch durch die Osterweiterung der NATO nicht geändert. Er muss aber auch verstehen, dass er aus Sicht des Westens mit seiner Strategie keinen Erfolg haben darf.
Eine Bemerkung zum Schluss: Niemand bedauert mehr als ich, dass mit dem Strategiewechsel Russlands die Friedensdividende verloren gegangen ist. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte ich wie so viele gehofft, dass wir dauerhaft weniger Geld für die Verteidigung ausgeben müssen. Das hat uns Spielräume für Ausgaben in Bildung, Infrastruktur oder das Sozialwesen eröffnet. Diese Spielräume sind jetzt kleiner geworden, denn wir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Deshalb bleibe ich bei der Ertüchtigung der Bundeswehr bei meiner Forderung: So viel wie nötig, aber auch so wenig wie möglich!
Lange war es nur zu befürchten, jetzt scheint es auf Basis einschlägiger Indikatoren nahezu sicher. Die deutsche Wirtschaft wird im Winterhalbjahr 2022/23 in eine Rezession rutschen. Maßgeblich hierfür sind nahezu ausschließlich die stark gestiegenen Energiepreise. Sie führen dazu, dass eine aufgrund von anhaltenden Lieferkettenproblemen und fortgesetzter Pandemie ohnehin gebeutelte Wirtschaft in den kommenden Monaten schrumpfen wird. Zeitgleich ist die Inflation so stark gestiegen wie seit den 1970er Jahren nicht mehr. Hier bei uns in NRW war der Preisauftrieb zuletzt sogar zweistellig (10,1 %).
Wie lange die Rezession anhalten wird und wie stark die Preise weiter steigen werden, hängt jetzt auch davon ab, welche Antworten die Politik auf die Krise gibt. Hier sehe ich erhebliches Verbesserungspotential. Meines Erachtens hat die Ampel in den zurückliegenden neun Monaten viele Fehler gemacht, die sich jetzt rächen:
Deutschland steckt in der schwersten Energiekrise seiner Wirtschaftsgeschichte. Eine Rezession ist unvermeidlich. Gerade deshalb muss Politik jetzt neu denken und pragmatisch handeln – für die Menschen in unserem Land und für unsere industrielle Basis.
PS: Eine gute Botschaft zum Schluss: Der Arbeitsmarkt dürfte meines Erachtens recht stabil bleiben. Dies hängt mit dem zunehmenden Ausscheiden der Baby-Boomer aus dem Arbeitsleben zusammen. Wir haben derzeit 2,5 Millionen Arbeitslose, aber 1,9 Millionen offene Stellen. Der Bedarf an Fachkräften wird daher trotz Rezession hoch bleiben.
Die Enttäuschung ist riesig: Nach dem Fall der Mauer war die Hoffnung groß, dass man die Staaten im Transformationsprozess durch verbesserte Handelsbeziehungen auf Ihrem Weg hin zu widerstandsfähigen Demokratien unterstützen kann. Im Fokus stand besonders auch Russland, dem sogar ein Platz am Tisch beim Treffen der weltweiten führenden Industrienationen gegeben wurde. Aus der G7 wurde die G8. Heute wissen wir, dass unser Bemühen, Russland über Wirtschaftsbeziehungen an uns zu binden, gescheitert ist. Ist damit auch das Konzept gescheitert?
Im speziellen Fall Russlands ganz ohne Frage: ja. Gleichwohl halte ich es unverändert für sehr wichtig, dass wir an diesem Konzept festhalten. Intensive Handelsbeziehungen nutzen allen Beteiligten, wirtschaftlich und politisch. Das wissen wir spätestens seit dem englischen Ökonomen David Ricardo (1772 – 1823), der eindrucksvoll erklärt hat, warum die Wohlfahrt durch Handel für alle beteiligten Nationen steigt. Kaum eine ökonomische Idee hat das Wirtschaftsleben der letzten Jahrzehnte so geprägt. Der internationale Handel ist über Jahrzehnte doppelt so stark gestiegen wie das Weltsozialprodukt. Damit war der internationale Warenaustausch der Wachstumstreiber der Weltwirtschaft. Und auch politisch sind enge Handelsbeziehungen immer von Vorteil. Denn so bleiben Kommunikationskanäle offen.
Friendshoring: Das Gebot der Stunde
Leider mehren sich die Anzeichen dafür, dass es die „eine Welt“ für den internationalen Handel, zumindest für eine gewisse Zeit, nicht mehr geben wird. Russland ist das wohl prominenteste Beispiel. Aber auch die Beziehungen zu China könnten auf eine Bewährungsprobe gestellt werden, wenn China seine Drohung wahr macht und versucht, Taiwan mit militärischer Gewalt unter seine Kontrolle zu bringen. Das militärische Aufrüsten Chinas im Pazifik ist Grund zur Sorge.
Um so wichtiger ist es, dass wir unsere Handelsbeziehungen mit den Ländern intensivieren, die uns freundlich gesonnen sind, und die unsere freiheitlichen Werte teilen. „Friendshoring“ wird das in Fachkreisen genannt. Gut ist deshalb, dass sich die Grünen nach vielen Jahren des Widerstands – und wohl auch unter dem Druck der aktuellen Ereignisse - jetzt endlich bereit erklärt haben, das lange mit Kanada ausgehandelte EU-Freihandelsabkommen CETA durch den Bundestag zu bringen. Besser spät als gar nicht, möchte man hier sagen.
Das reicht aber nicht. Auch beim gescheiterten Freihandelsabkommen TTIP, das wir mit den USA schließen wollten, lohnt ein zweiter Anlauf. Selbst wenn das Ergebnis weniger umfassend ausfallen sollte als zunächst geplant. Meines Erachtens sollten wir die Zeit nutzen, in der im Weißen Haus ein Präsident sitzt, der für gut austarierte Handelsabkommen im gegenseitigen Interesse offener zu sein scheint als sein Vorgänger.
Afrika: Ein Kontinent mit Potential
Den Blick sollten wir aber auch nach Afrika richten, ein Kontinent, auf dem andere Staaten schon länger sehr aktiv sind. Insbesondere China ist hier seit vielen Jahren aktiv. Die so entstandenen Abhängigkeiten von Rohstofflieferungen aus Quellen mit chinesischem Einfluss gilt es, so rasch wie möglich zu reduzieren. In Afrika ist das Interesse an einer Intensivierung der direkten Beziehungen zu Europa groß. Davon konnte ich mich erst jüngst in Gesprächen mit einer Delegation aus mehreren Ländern Afrikas im Bundestag überzeugen. Gerade im Bereich der Energieerzeugung bestehen auf diesem Kontinent große Potentiale. Das Gleiche gilt für die wachsende Mittelschicht, die zu einer steigenden Nachfrage nach hochwertigen Konsumgütern führt. Nutzen wir diese Chancen, damit Afrika seinen wirtschaftlichen Aufholprozess beschleunigt fortsetzen kann, und damit wir mit neuen Partnern unsere Produktions- und Lieferketten möglichst diversifiziert halten.
Der Russland-Ukraine-Krieg berührt die Menschen nicht nur wegen des unermesslichen Leids, dass er unmittelbar verursacht. Auch das damit zusammenhängende Thema „Energiepreise und Energiesicherheit“ wird immer drängender. Besonders deutlich spüren wir die angespannte Situation an den Tankstellen. An die „Zwei vor dem Komma“ mussten wir uns in den letzten Wochen leider gewöhnen. Aber auch weit darüber hinaus fressen sich die hohen Energiepreise zunehmend in unseren Lebensalltag. Mit vrs. 7,9 Prozent im Mai hat die Inflationsrate in Deutschland ein 40-Jahres-Hoch erreicht. Und die gewerblichen Erzeugerpreise sind auf Niveaus, die seit Erhebung der Zeitreihe in den fünfziger Jahren nicht gemessen wurden.
Versorgungssicherheit für die Wintermonate entscheidend
Neben den Preisen für Energie hat aber auch die Frage der Versorgungssicherheit enorm an Bedeutung gewonnen. Ganz besonders wegen der hohen Abhängigkeit von Energieimporten aus Russland ist die Frage aufgekommen, ob wir auch im kommenden Winter genug Energie haben werden, um unsere Wohnungen zu heizen und unsere Betriebe am Laufen zu halten. Zudem stellen viele die Frage, wie es zu der Abhängigkeit von Russland kommen konnte.
Hinsichtlich der Abhängigkeit von russischer Energie sind mehrere Punkte entscheidend: Wir haben uns 2011 als Gesellschaft gegen die friedliche Nutzung von Kernenergie ausgesprochen und mit Blick auf den Klimawandel wurde auch ein Ausstieg aus der Kohleverstromung beschlossen. Gas aus den USA wiederum wird zu einem erheblichen Teil mit dem Fracking-Verfahren gewonnen. Dies hat russisches Gas, das zudem durch Pipelines direkt zu uns gelangen kann, weitaus attraktiver erscheinen lassen, als Gas aus den USA. Und nicht zuletzt war nach dem Fall der Mauer auch „Wandel durch Handel“ gewollt. Russland saß mit am Tisch. Aus der G7 wurde die G8. Damit verband sich die Hoffnung, dass mit Russland als Partner eine neue Zeit in Europa beginnt. Heute wissen wir, dass Russland andere Prioritäten setzt – leider! Es vergessen aber auch viele, die sehr kritisch sind, dass wir uns als Gesellschaft für Gas aus Russland als Brückentechnologie entschieden haben. Kurzum: Die Abhängigkeit von Energie aus Russland hat viele Väter und Mütter.
Große Fortschritte
Erfreulicherweise ist es in den letzten Wochen gelungen, die Abhängigkeiten von Öl und Kohle aus Russland zu reduzieren. Möglich war dies, weil beide Märkte global integriert sind. Das heißt, es stehen ganz einfach genügend alternative Anbieter weltweit bereit, mit denen die Unternehmen neue Verträge machen konnten. Insofern dürfte die Versorgung mit Öl und Kohle auch im kommenden Winter gesichert sein, auch wenn in Einzelfällen – so etwa bei der Versorgung der Erdölraffinerie in Schwedt – noch Herausforderungen bestehen. Zu welchem Preis die neuen Verträge geschlossen wurden, das steht auf einem ganz anderen Blatt. Zu befürchten ist, dass hier deutliche Preisaufschläge akzeptiert werden mussten, die entweder die Gewinnspannen der Unternehmen schmälern oder zu weiter steigender Inflation führen werden.
Das eigentliche Problem ist Gas
Ganz anders ist die Lage beim Erdgas. Hier besteht unverändert eine wesentliche Abhängigkeit von den Lieferungen aus Russland. Und Gas ist nicht nur für die Erzeugung von Wärme und Strom relevant. Noch viel wichtiger ist, dass Gas als Rohstoff in vielen Produktionsprozessen erforderlich ist. Ohne Erdgas würde Düngemittel knapp werden, was das Nahrungsmittelproblem in vielen Teilen der Welt verschlimmern würde. Und es fehlen Zwischenprodukte, wie etwa Lacke in der Automobilindustrie oder Kunststoffe für den Gesundheitssektor. Damit drohen Ausfälle, die kaskadenartig unsere ganze Gesellschaft und unsere Wirtschaft belasten würden.
An alternativen Beschaffungswegen wird fieberhaft gearbeitet, gänzlich gelöst ist das Problem aber noch nicht. LNG-Terminals werden kommen, so etwa in Brunsbüttel oder in Wilhelmshaven. Doch trotz beschleunigter Genehmigungsverfahren wird die Bauzeit mehrere Jahre betragen. Vier schwimmende LNG-Terminals wurden angemietet, von denen zwei wohl bis zum Winter betriebsbereit sind. Die Kapazität läge dann aber nur bei 10 Mrd cm3. Zum Vergleich: Allein über Nord Stream 1 erreichen uns jährlich 50 Mrd cm3. 13 Prozent des uns zur Verfügung stehenden Erdgases werden verstromt. Angesichts der Bedeutung von Gas als Rohstoff in zahlreichen Produktionsprozessen ist dies kaum noch zu verantworten.
Ein zeitlich begrenzter Weiterbetrieb der noch am Netz befindlichen Kernkraftwerke – der entgegen den Aussagen der „Ampel“ sowohl technisch als auch rechtlich möglich wäre –, wird von Teilen der Koalition vehement abgelehnt. Stattdessen werden ältere Kohlekraftwerke in die Reserve zurückgeholt. Angesichts des globalen Klimaproblems ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet ein grüner Wirtschaftsminister diesen Weg wählt. Natürlich birgt die Kernenergie Risiken. Das noch viel größere Risiko aber liegt im Klimawandel, der eine weltweite existentielle Bedrohung darstellt.
Energieeffizienz und Erneuerbare Energien
Kurzfristig haben wir ein Potential aber noch nicht in dem Maße gehoben, wie es möglich wäre: Wir alle können helfen, Energie zu sparen. Hierzu nur ein Beispiel: Schaffen wir es, die Raumtemperatur nur um ein Grad zu senken, fällt der Energiebedarf beim Heizen um 6 Prozent! Ich habe bereits vor Wochen mit einer Kampagne versucht, die Menschen dafür zu sensibilisieren, dass wir mit kleinen Schritten Großes erreichen können (siehe „Putin ein Schnippchen schlagen“, verfügbar unter diesem Link). Hieran möchte ich noch einmal erinnern und alle ermutigen, mitzumachen. Ich glaube, dass hier auch kurzfristig sehr viel mehr möglich ist, als wir uns vorstellen.
Zudem müssen wir den Ausbau der Erneuerbaren Energien mit aller Macht vorantreiben. Seit vielen Jahren schon mache ich das im Privaten und setze mich politisch dafür ein. Zur Wahrheit gehört aber auch: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird etliche Jahre in Anspruch nehmen, zumal der Bedarf an Strom mit der Energiewende noch einmal deutlich steigen wird. Deshalb müssen jetzt tatsächlich alle Optionen auf den Tisch! Ideologische Vorbehalte, die bestimmte Technologien ausschließen oder andere bevorzugen, sind fehl am Platz. Und wir brauchen Rahmenbedingungen, mit denen wir die Entdeckungskräfte des Marktes nutzen. Längst nicht alle Technologien, die uns bei der Lösung des globalen Energie- und Klimaproblems weiterbringen werden, sind heute schon bekannt.
Natürlich machen sich hier die Bremseffekte bemerkbar, die aus dem Russland-Ukraine-Krieg resultieren. Neben einer deutlichen Eintrübung des Geschäftsklimas und des Konsumentenvertrauens bei den privaten Hauhalten, hat der Konflikt zu einer spürbaren Verteuerung von Energie geführt. Auch dies belastet Wirtschaft und Verbraucher gleichermaßen.
Negativ zu Buche schlägt aber auch der Zinsanstieg, der sich aus den höheren Energiepreisen ergibt. Seit Dezember letzten Jahres ist die Rendite der richtungsweisenden zehnjährigen Bundesanleihen um mehr als einen Prozentpunkt gestiegen. Dies führt auch zu höheren Zinsen in anderen Bereichen, so etwa bei den Bauzinsen. Der Bausektor war in den letzten Jahren eine große Stütze der Konjunktur. Jetzt drohen Lieferengpässe, Fachkräftemangel und Zinsanstieg diese Säule des Wachstums ins Wanken zu bringen.
Was ist daher zu tun? Neben einem Belastungsmoratorium, das wir nach Jahren stetig steigender Anforderungen in Sachen Bürokratie und Regulierung jetzt dringend brauchen, müssen wir den Handel intensiveren. Deutschland ist ein Exportland. Offene Grenzen, die einen ungehinderten Warenaustausch erlauben, sind für große Teile unserer Wirtschaft lebenswichtig. Leider führt der Angriffskrieg zu Einschränkungen im weltweiten Handel. Gleiches gilt für die Corona-Krise, die zuvor in Teilen zu einer Einschränkung von globalen Lieferketten geführt hat.
Umso wichtiger ist es deshalb, dass wir neue Initiativen ergreifen und lange liegen gebliebene Projekte endlich zum Abschluss bringen. Ich denke hier insbesondere an das Freihandelsabkommen CETA, das die EU seit dem Jahr 2009 mit Kanada verhandelt hat, das bis heute aber nicht vollständig in Kraft getreten ist. Warum? Weil vor allem unser ehemaliger Koalitionspartner eine Unterzeichnung verhindert hat. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, dass wir den Handel mit den Partnern der freien Welt intensivieren. Schätzungen zufolge ließe sich der Handel zwischen Kanada und der EU um 20 % steigern, wenn das Abkommen vollständig in Kraft getreten ist. Deshalb kann ich nur hoffen, dass die Ampel-Koalition einen lang ausgehandelten Vertrag nun endlich auch für Deutschland unterzeichnet.
|
|
|
In den letzten zwölf Monaten sind die Energiepreise drastisch gestiegen. Für diesen Anstieg gibt es eine Reihe von Gründen. Gemeinsam ist Ihnen, dass sie einen weltumspannenden Charakter haben. Zum einen spiegelt sich hier die Erholung der globalen Konjunktur nach dem Pandemie-bedingten Einbruch im Jahr 2020. Vor allem die gestiegene Produktion im Verarbeitenden Gewerbe macht sich hier bemerkbar. Zu Buche schlägt aber auch der Russland-Ukraine-Konflikt. Weltweit ist Russland der größte Exporteur von Öl und Gas. Schon weit vor dem Einmarsch der russischen Truppen hat Russland aus strategischen Gründen die Gaslieferungen an seine Kunden auf das vertraglich vereinbarte Minimum reduziert. Unsere Gasspeicher sind deswegen nahezu leer. Sanktionen gegen das Land – die nunmehr anlaufen – werden das weltweite Angebot an Energie voraussichtlich schmälern.
Energiewende bislang kein Thema
Kaum ins Gewicht fällt bislang dagegen die Energiewende hier in Deutschland. Zwar hat sich der am Markt gehandelte C02-Preis in den letzten Wochen und Monaten ebenfalls spürbar erhöht, der Emissionspreis für C02 ist mit 25 Euro pro Tonne aber immer noch vergleichsweise niedrig. Zudem ist der Kohle- und Atomausstieg noch nicht vollzogen. Gerade die Grundsicherung profitiert hiervon noch immer stark. Gleichwohl zeigt der Anstieg der Energiepreise, was droht, wenn die Energiewende schlecht gemanagt wird. Der aktuelle Anstieg der Energiepreise könnte sich dann sogar als noch gering erweisen.
Was ist daher zu tun? Zum einen stimme ich mit meiner Fraktion überein, dass Entlastungen für die Bürgerinnen und Bürger erforderlich sind. Wieder einmal sind es die viel zu hohen Steuern und Abgaben, die hier zur Entlastung der Verbraucher angepasst werden müssen. Deutschland hat die höchsten Energiepreise weltweit. Daher ist die rasche Abschaffung der EEG-Umlage, die Senkung der Umsatzsteuern auf Gas, Benzin, Heizöl oder Strom sowie eine Erhöhung der Pendlerpauschale das Gebot der Stunde. Genau diesen Antrag haben wir im Februar in den Bundestag eingebracht. Leider wurde er von der links-gelben Ampel-Koalition abgelehnt. Erst jetzt – und wohl auch in Reaktion auf unseren Druck – wurden entsprechende Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Strategien für die sichere Versorgung entwickeln, technologieoffen bleiben
Mindestens genauso wichtig aber erscheint mir, die richtigen Strategien für die mittel- und langfristige Sicherung mit bezahlbarer Energie zu schaffen. Hierzu gehört der Ausbau der erneuerbaren Energien. Wir können uns aber nicht nur hierauf verlassen, denn das Ziel der Ampel, den Anteil der erneuerbaren Energien von jetzt 40 auf 80 Prozent bis zum Jahr 2030 zu erhöhen, ist – gelinde gesagt – ein sehr gewagtes Ziel. Ein Scheitern können wir uns als Industrieland aber nicht erlauben.
Deshalb müssen wir den Import von Flüssiggas durch den Bau von Terminals an der Nordsee fördern. Bislang verfügt Deutschland über keine solche Entladestelle. Zudem müssen wir den europäischen Binnenmarkt nutzen und Strom importieren. Zur Ehrlichkeit gehört hier auch, dass wir weiterhin Atomstrom aus Frankreich nutzen werden, gegebenenfalls sogar mehr als in der Vergangenheit. Und wir müssen technologieoffen bleiben. Wir können nicht nur auf E-Mobilität setzen; synthetische Kraftstoffe werden auch Teil der Lösung sein.
Und schließlich: Auch wenn die klassische Atomkraft keine Option mehr ist (dazu ist der Ausstieg zu weit vorangeschritten; die Betreiber lehnen dankend ab), müssen wir offen bleiben für Weiterentwicklungen in diesem Bereich und diese durch den Aufbau von Forschung und Entwicklung begleiten. Dazu gehört auch, dass wir bei jungen Menschen das Interesse an Naturwissenschaften fördern – und zwar stärker als bisher. Vielleicht gibt es in einigen Jahren neue Verfahren, bei denen die Risiken geringer sind und kein Restmüll für die Endlagerung mehr anfällt. Es wäre schlecht für den Standort Deutschland und den Wohlstand in unserem Land, wenn neue Technologien gänzlich an uns vorbei entwickelt würden.
Die Bundesregierung hat Ende Januar ihren Jahreswirtschaftsbericht vorgelegt. Die Wachstumsprognose fällt mit 3,6 % meines Erachtens zu hoch aus. Allein der sehr schwache Start ins Jahr 2022 mit einer voraussichtlich erneut schrumpfenden Wirtschaftsleistung spricht dafür, dass prognostizierte Wachstumsrate im Jahresdurchschnitt wohl kaum zu erreichen sein werden.
Realistischer mutet die Inflationsprognose an. Allerdings fällt der erwartete Anstieg der Verbraucherpreise mit 3,3 % sehr hoch aus. Erneut wird damit die Kaufkraft der Menschen erheblich geschmälert. Hier spiegeln sich viele Faktoren. Bedeutsam sind aber vor allen die Energiepreise, die bereits jetzt auf die Dekarbonisierung und die Verschiebungen im Energiemix reagieren. Meines Erachtens müssen wir uns auch in den kommenden Jahren auf steigende Energiepreise einstellen. Das Mantra der Ampel, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien zu stark fallenden Energiepreisen führen werden, teile ich nicht – zumindest nicht auf Sicht der kommenden Jahre. Die Preise für wesentliche Energieträger wie Gas, auf die wir noch für lange Zeit angewiesen sein werden, ergeben sich auf Basis des globalen Angebots und der weltweiten Nachfrage. Diesem Trend wird sich Deutschland nicht entziehen können. Gleichwohl ist die Bundesregierung hier gefordert, die sozialen Folgen der stark steigenden Preise in den Blick zu nehmen.
„Wohlstand jenseits des Wachstums messen“
Neben diesen typischen Aussagen, die recht knappgehalten sind, liest sich der Jahreswirtschaftsbericht wie ein grünes Parteiprogramm. Besonders deutlich wird dies im Sonderkapitel „Nachhaltiges und inklusives Wachstum - Dimensionen der Wohlfahrt messbar machen“. Was passiert hier genau?
Der Analyserahmen soll um eine Vielzahl von Indikatoren erweitert werden, die Wohlstand jenseits des Wachstums messen sollen. Statt wie bisher international üblich das Bruttoinlandsprodukt in den Mittelpunkt der Betrachtung zu stellen, wird eine Vielzahl weiterer Indikatoren als Maß für den Wohlstand eingeführt. Beispiele sind die Treibhausgas-Intensität des BIPs, der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wertschöpfung, die Menge Nitrat im Grundwasser oder die Gleichheit in der Bezahlung von Männern und Frauen. Grundsätzlich sind dies alles wichtige Aspekte in der Beurteilung der Lebensqualität in einem Land. Der „Spurwechsel“ in der wirtschaftlichen Analyse birgt aber erhebliche Gefahren.
Zwar beschäftigen sich Volkswirte schon seit vielen Jahren mit alternativen Messzahlen für den Wohlstand in einem Land. Neuland betritt der Bericht daher nicht. So richtig durchsetzen konnte sich aber kein Indikator aus der sogenannten „Glücksforschung“. Besonders nachteilig ist aber, dass damit internationale Vergleiche weniger aussagekräftig ausfallen könnten. Fällt Deutschland wirtschaftlich zurück, so wissen wir das möglicherwiese gar nicht – und ein Gegensteuern käme womöglich zu spät. Noch gravierender aber ist, dass damit auch eine ungenügende Wirtschaftspolitik mit steigender Arbeitslosigkeit oder fallenden Einkommen kaschiert werden kann.
Hier vermute ich ein bewusstes Vorgehen der Regierung. Der Umbau der gesamten Gesellschaft zu mehr Nachhaltigkeit ist ein wirtschaftliches Wagnis. Es kann funktionieren, es kann aber auch zu erheblichen Störungen des Wirtschaftslebens kommen. Im schlimmsten Fall wandern Unternehmen ins Ausland ab oder werden von ausländischer Konkurrenz verdrängt. Das weiß auch die Regierung. Also muss sie vorbeugen, damit in vier Jahren die Bilanz nicht ganz so negativ ausfällt. Der Zustand der Wirtschaft kann Wahlen entscheiden.
16 Jahre ist viel passiert
Was mich aber besonders freut: Nahezu alle Indikatoren, die vom Wirtschaftsministerium im Bericht genannt werden, zeigen deutliche Verbesserungen in den letzten 16 Jahren. So sind der Nitratgehalt im Wasser, die Emission von Luftschadstoffen, die Treibhausgasintensität des BIP oder der Verdienstabstand zwischen und Männern und Frauen deutlich gefallen. Deutlich gestiegen sind dagegen der Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch oder die privaten und öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Mit diesem Jahreswirtschaftsbericht widerlegt die Bundesregierung eindrucksvoll ihre immer wieder vorgetragene (falsche) Behauptung, 16 Jahre sei nichts passiert.
Zu den wohl größten Überraschungen des Jahres 2021 gehört aus wirtschaftlicher Sicht der starke Anstieg der Inflation. Mit 6,2 Prozent in den USA bzw. 5,2 Prozent in Deutschland wurde zuletzt ein 30-Jahres-Hoch erreicht. Für den drastischen Anstieg gibt es viele Gründe: Lieferengpässe wegen der Pandemie sowie stark steigende Energiepreise sind wohl die wichtigsten. Zwei spannende Fragen ergeben sich aus politischer Sicht hieraus: Erstens, sehen wir die hohen Inflationsraten nur vorübergehend und, zweitens, wie reagiert die Politik hierauf?
Zwei spannende Fragen ergeben sich aus politischer Sicht hieraus. Erstens: Sehen wir die hohen Inflationsraten nur vorübergehend? Zweitens: Wie reagiert die Politik hierauf?
Persönlich gehe ich nicht davon aus, dass die Inflationsraten im kommenden Jahr auf derart hohem Niveau verharren werden. Hierfür spricht vor allem, dass mit Abebben der Pandemie die Lieferengpässe der Vergangenheit angehören sollten. Allerdings ist auch nicht damit zu rechnen, dass die zuvor sehr niedrigen Niveaus (siehe Grafik) wieder erreicht werden. Im Gegenteil: Die voraussichtlich dauerhaft steigenden Energiepreise (Stichwort: Dekarbonisierung der Gesellschaft) und gestiegene Inflationserwartungen sprechen dafür, dass die Preissteigerungsraten dauerhaft höher liegen könnten als die 2 Prozent, die gemeinhin von den Hütern der Geldwertstabilität als kritische Marke angesehen werden.
Was sind die Konsequenzen? Erstens: Die Notenbanken – so auch die EZB – müssen endlich eine glaubhafte Strategie für die Abkehr von den ultra-lockeren Maßnahmen der letzten Jahre vorlegen. Andernfalls drohen im Aufschwung weitere Preisschübe, die perspektivisch sehr viel härtere Gegenmaßnahmen erforderlich machen. Zweitens: Für die Nachfolge von Jens Weidmann als Bundesbankpräsident muss die Ampelkoalition eine glaubwürdige Stimme finden, die für den Erhalt der Preisstabilität eintritt. Zur Erinnerung: Nur unter diesen Vorzeichen war Deutschland bereit, der Währungsunion beizutreten. Auf keinen Fall dürfen parteipolitische Überlegungen bei der Neubesetzung dieses wichtigen Postens eine Rolle spielen, ganz zu schweigen von dem Wunsch, dass die Geldpolitik die stark gestiegenen Staatsausgaben weiter flankiert.
Einfach Newsletter abonnieren und immer auf dem Laufenden sein!