Standpunkte
Es war eine intensive Debatte, die wir in den letzten Wochen um die Lieferung von weiteren schweren Waffen and die Ukraine geführt haben. Nun steht die Entscheidung: Deutschland wird gemeinsam mit seinen Verbündeten Kampfpanzer liefern.
Ich weiß, dass viele Menschen Sorgen haben. Geht mit dieser Entscheidung eine weitere Eskalation des Konflikts einher? Werden wir damit Kriegspartei? Und kommt als nächstes möglicherweise die Forderung nach Kampfjets? Ich kann diese Sorgen sehr gut verstehen. Niemand in der freien Welt will diesen Krieg. Und wir müssen wirklich alles daran setzen, dass uns der Spagat gelingt: Wir wollen der Ukraine in ihrem Freiheitskampf helfen. Die kriegerische Auseinandersetzung darf aber auch nicht unkontrolliert eskalieren. Einen Krieg zwischen der NATO und Russland kann niemand ernsthaft wollen - selbst der russische Präsident nicht.
Warum ist die Entscheidung, Kampfpanzer zu liefern, dann richtig? Zum einem aus humanitären Gründen. Putin plant nach allem, was wir wissen, eine Frühjahrsoffensive. Diese wird weiteres unsagbares Leid für die Bevölkerung der Ukraine mit sich bringen. Wir müssen den Ukrainern helfen, damit sie sich gegen den Aggressor wehren können. Meine Hoffnung ist, dass Putin sich überlegt, ob es klug ist, diesen Krieg mit immer schärferen Mitteln weiterzuführen, wenn der Westen erkennbar so eng zusammensteht.
Es gibt aber einen weiteren sehr wichtigen Grund. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit führt ein Autokrat unter dem Schutz seines Atomwaffenarsenals einen reinen Angriffskrieg. Das war selbst in den dunkelsten Zeiten des Kalten Krieges anders. Die Ländergrenzen wurden respektiert. Kommt Putin mit seiner perfiden Strategie durch, gibt es vielleicht kein Halten mehr. Denn das Dilemma, vor dem wir jetzt stehen, wäre bei einem Angriffskrieg gegen ein anderes Land erneut gegeben. Putin darf verstehen, dass niemand Russland angreifen will. Das hat sich m. E. auch durch die Osterweiterung der NATO nicht geändert. Er muss aber auch verstehen, dass er aus Sicht des Westens mit seiner Strategie keinen Erfolg haben darf.
Eine Bemerkung zum Schluss: Niemand bedauert mehr als ich, dass mit dem Strategiewechsel Russlands die Friedensdividende verloren gegangen ist. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs hatte ich wie so viele gehofft, dass wir dauerhaft weniger Geld für die Verteidigung ausgeben müssen. Das hat uns Spielräume für Ausgaben in Bildung, Infrastruktur oder das Sozialwesen eröffnet. Diese Spielräume sind jetzt kleiner geworden, denn wir können jeden Euro nur einmal ausgeben. Deshalb bleibe ich bei der Ertüchtigung der Bundeswehr bei meiner Forderung: So viel wie nötig, aber auch so wenig wie möglich!