60 Jahre Mauerbau: Symbol für Unfreiheit und Unterdrückung
Der Mauerbau ist nicht nur das deutlichste Fanal deutscher Teilung, er markiert auch einen bewegenden Teil meiner eigenen Familiengeschichte. Zum 60. Jahrestag widme ich ihm deshalb ein paar persönliche Zeilen.
60 Jahre Mauerbau: Ein besonderer Tag, zu dem ich auch persönlich eine enge Beziehung habe. Die Familie meines Vaters kommt aus Schlesien. Nach ihrer Vertreibung ist ein Teil von ihr in Waren an der Müritz geblieben. Der Rest zog weiter nach Nordhorn in Niedersachsen. So kam es, dass die Familie meines Vaters ab August 1961 getrennt war. Besuche waren nur noch in eine Richtung möglich, und dann nur mit großen bürokratischen Hürden.
Weil ich Cousin und Cousine dort hatte, war ich immer eng am Lebensalltag im sozialistischen Osten dran. Besonders bewegt hat mich einmal die Aussage meines Cousins während eines Familienbesuchs. Auf meine Frage, ob wir nicht einmal ein Bier trinken gehen wollen, sagte er nur: „Lieber nicht. Man weiß nie, wer mithört...“. Und ich habe schnell erfahren, was es heißt, in einer Mangelwirtschaft zu leben.
Durch den Zwangsaustausch war mein Vater mit reichlich lokaler Währung ausgestattet, deutlich mehr, als ihm lieb war. Also gab er mir als Siebenjährigem großzügig zehn DDR-Mark als Taschengeld. Diesen unerwarteten Reichtum wollte ich möglichst schnell in Süßes tauschen. Beim nächsten Geschäft jedoch konnte ich die Süßwaren leider nicht finden. Auf meine Frage, wo denn die Süßigkeiten seien, sagte die Verkäuferin nur lapidar: „Du stehst davor“. Zu sehen war aber nur eine Handvoll kleinerer Tüten mit Bonbons – und die standen schmucklos in der untersten Reihe nahe am Boden. Ansonsten nur gähnende Leere. Vielleicht ist damals bei mir das erste Mal der Gedanke gereift, Volkswirtschaft zu studieren. Ich konnte einfach nicht verstehen, warum es in der DDR so gut wie keine Süßigkeiten gab. Und damals ahnte ich noch nicht, dass fehlende Bonbons dort zu den geringsten Übeln zählten.
Als dann 1989 die Mauer fiel, war ich war gar nicht hier in Deutschland. Durch mein Auslandsstudium in den USA habe ich die Wiedervereinigung nur aus dem Fernsehen miterlebt. Ich werde aber nie vergessen, als der Nachrichtensprecher am 9. November 1989 sagte: „The wall came down“. Erst war ich perplex, dann ungläubig und schließlich begeistert. Wieder zurück in Deutschland haben meine Frau und ich eine Reise durch die ehemalige DDR gemacht. Ein tolles Erlebnis. Und ich werde nie vergessen, als ich das erste Mal auf dem ehemaligen Todesstreifen hinter dem Reichstag spazieren ging. Ein unglaubliches Gefühl. Nur wenige Jahre vorher hatte ich noch als Schüler im Reichstag gestanden und gedacht: Dort wirst Du niemals lang gehen können.
Die Wiedervereinigung ist für uns alle ein großes Glück. Ich werde als Politiker immer daran erinnern, was es heißt, wenn ein Land geteilt ist. Den 13. August wie auch den 9. November (Mauerfall) werde ich immer als besondere Tage in meinem Kalender haben. Als Symbol dafür, dass die Kraft der Freiheit jede noch so zementiert erscheinende Teilung überwinden kann. Und als politischen Auftrag, diese unsere Freiheit immer wieder aufs Neue zu verteidigen!