Festvortrag anlässlich der Urkundenübergabe an der FHDW Mettmann
Liebe Frau Bürgermeisterin Pietschmann,
sehr geehrter Herr Brandt,
meine Damen und Herren,
liebe Absolventinnen und Absolventen!
Herzlichen Dank für die Einladung und die Gelegenheit, heute – an diesem besonderen Tag – zu Ihnen sprechen zu dürfen!
Als allererstes möchte ich Ihnen – den Absolventinnen und Absolventen – zum Abschluss gratulieren. Das ist eine großartige Leistung, auf die Sie stolz sein können. Und das Beste daran: Das nimmt Ihnen keiner mehr. Das bleibt fürs Leben!
Aber auch der FHDW möchte ich gratulieren. Schlussendlich ist es ja genau das, was Sie wollen: Aus Rohdiamanten, die frisch von der Schule kommen, Edelsteine für den Arbeitsmarkt zu machen.
Wenn ich Edelsteine sage, liebe Absolventen, heißt das nicht, dass Sie nicht noch weiteren Schliff erfahren werden. Aber dazu später mehr.
Meine Damen und Herren, als Herr Brandt mich zu Ihnen einlud, war unklar, als was ich hier stehen würde: Als Mitglied des Bundestages und als Volkswirt oder „nur“ als Volkswirt? Darauf habe ich hingewiesen, und Herr Brandt erwiderte: „Sie sind uns in jedem Fall willkommen!“
Sie wissen, wie es ausgegangen ist: Ich freue mich, heute als Abgeordneter des Deutschen Bundestags vor Ihnen stehen zu dürfen. Das Direktmandat gewonnen zu haben bedeutet für mich Freude, Ehre und Ansporn.
Verheimlichen will ich aber auch nicht, dass der Wahlausgang für meine Partei ruhig etwas besser hätte ausfallen dürfen. So geht es wohl in die Opposition. Franz Müntefering hat einmal gesagt: Opposition ist Mist! Das Stimmt. Einerseits. Andererseits: Opposition ist in einer parlamentarischen Demokratie extrem wichtig.
Deshalb seien Sie versichert, wir werden unsere Rolle sehr ernst nehmen und die Regierungsarbeit kritisch, vor allem aber inhaltlich eng begleiten. Warum? Weil es um unser Land geht! Weil es um Ihre Zukunft geht. Und weil wir vor großen Herausforderungen stehen, die wir dringend angehen müssen:
Erstens fällt mir hier der Neustart nach der Pandemie ein. Der wird kein Selbstläufer. Das zeigen schon allein die aktuellen Korrekturen der Wachstumsprognosen für Deutschland im laufenden Jahr. Sie wurden seit dem Frühjahr kontinuierlich nach unten revidiert.
Zweitens geht es um den Klimawandel. Ihn gilt es zu bekämpfen, aber „richtig“. Das geeignete Instrument dafür ist: die Marktwirtschaft. Es geht darum, die Entdeckungskräfte des Marktes zu nutzen und daraus ein weltweites Angebot zu entwickeln. Ich bin mir sicher, dass ich gerade hier – in der Fachhochschule der Wirtschaft – auf sehr viel Verständnis für diese These treffe.
Drittens: Die Digitalisierung. Sie ist eine Querschnittstechnologie, die sowohl in der öffentlichen Verwaltung als auch für die Privatwirtschaft stärker umgesetzt werden muss. Kein Zweifel kann aber daran bestehen, dass hier gerade die Privatwirtschaft eine führende Rolle spielen muss. Das lehren uns die Volkswirtschaften, die hier besonders erfolgreich sind. Wir allen kennen Namen wie Mark Zuckerberg, Jeff Bezos oder Bill Gates. Sie haben digitale Imperien geschaffen mit hunderttausenden von Arbeitsplätzen. Wie lauten diese Namen in Europa?
Viertens denke ich an die neue internationale Ordnung mit China als neuer Weltmacht. Damit verschiebt sich das Gefüge der Weltwirtschaft, wie wir an dem neu gegründeten Freihandelsabkommen RCEP in Asien gerade erste erlebt haben – das größte dieser Art weltweit.
Und last but not least: Bildung! Deutschland hat bereits heute einen Mangel an Fachkräften. Gute Zeiten für Sie, denn immer dann, wenn etwas knapp ist, dann steigen die Preise. Natürlich ist ihr Studium kein Garant für ein Spitzeneinkommen. Aber es ist eine gute Versicherung gegen Einkommenstotalausfälle, sprich Arbeitslosigkeit.
Hierzu ein paar Zahlen aus dem Jahr 2016: Die Arbeitslosenquote betrug bei niedrigem Bildungsstand: 8,8 Prozent, bei mittlerem Bildungsstand: 3,3 Prozent, bei hohem Bildungsstand: 2,6 Prozent. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig Bildung ist – auf allen Ebenen: an den Unis, den Fachhochschulen, aber auch in der dualen Ausbildung, bei der Deutschland führend ist. Hier muss Politik ansetzen und dafür sorgen, dass es so bleibt. Mit ausreichend finanziellen Mitteln, aber auch mit Daten. Nach wie vor wissen wir viel zu wenig über unser Bildungssystem. Und das liegt oft daran, dass Daten für die bildungsökonomische Forschung nicht zugänglich sind.
Aber: Über diese Herausforderungen will ich heute gar nicht so viel reden. Das werden wir in den kommenden vier Jahren noch zu Genüge tun. Als Herr Brandt mir sagte, dass ich in jedem Fall
willkommen sei (also mit oder ohne Mandat), habe ich überlegt: Was könnte wohl noch ein Grund für die freundliche Einladung sein? Ich könnte ihn fragen. Er ist ja heute hier. Aber dann liefe ich Gefahr, dass ich meine Rede kurzfristig ändern muss…
Deshalb meine Vermutung: Meine Berufserfahrung. Ich bin ein Seiteneinsteiger in der Politik. Vor meinen politischen Ambitionen war ich knapp 30 Jahre in der Privatwirtschaft tätig. In dieser Zeit habe ich viel erlebt. Deshalb habe ich mir überlegt, dass ich Ihnen ein paar Ratschläge mitgebe.
Ratschläge wie sie Ihren Berufsstart besser meistern, und wie sie gut durchs Berufsleben kommen können. Klar ist: Meine Ratschläge sind äußerst subjektiv. Sie kommen aus keinem Lehrbuch, sondern sind das Ergebnis meines subjektiven Erlebens. Deshalb: Seien sie kritisch! Überlegen sie gut, was sie davon beherzigen wollen. Alles hier ist ohne Gewähr. Seien Sie aber versichert: Meine Ratschläge kommen von Herzen. Acht Punkte habe ich mir überlegt:
1. Bilden Sie sich weiter: Die Zeit der formalen Abschlüsse mag vorbei sein, zumindest für einige von Ihnen. Die Zeit des Lernens nicht. Bleiben Sie neugierig. Und seien Sie offen für neue Aufgaben. Wenn Sie wirklich weiterkommen wollen, dürften sie nicht nur Spezialist sein. Das ist die Pflicht. Ihr Fachgebiet müssen Sie kennen. Keine Frage! Gewinnen werden Sie aber nur, wenn sie auch in der Kür ein paar Punkte holen und in der Lage sind, über den Tellerrand hinauszuschauen.
2. Bauen Sie sich ein Netzwerk: Mit Kollegen in ihrem Unternehmen, in der Branche. Je mehr Menschen sie kennen, umso besser. Allerdings: Zu viele dürfen es auch nicht sein, sonst können sie die Kontakte nicht mehr pflegen. Das habe ich auch erst lernen müssen. Da gilt es für Sie, Ihr Optimum zu finden.
Praktischer Tipp 1: Merken Sie sich die Namen der Menschen, die Ihnen vorgestellt werden. Und nutzen sie den Namen beim nächsten Mal. Das beeindruckt.
Praktischer Tipp 2: Wenn Ihr Unternehmen eine Kantine hat, gehen sie mit wechselnden Personen
Mittagessen. Nichts ist schlimmer, als immer nur im eigenen Saft zu schmoren – und sich gegenseitig
in den festgefahrenen Meinungen zu verstärken. Nebeneffekt: So lernen Sie die vielen Abteilungen
in Ihrem Unternehmen kennen – und zwar aus erster Hand.
3. Seien Sie Teamspieler: Die Welt da draußen ist komplex! Die wirklich großen Probleme – also die,
die einen Unterschied machen – lösen wir nur gemeinsam. Dazu müssen Sie in der Lage sein, mit anderen zusammen zu arbeiten, zuzuhören, sich gezielt einzubringen.
Dazu fällt mir ein Afrikanisches Sprichwort ein: Wenn du schnell weiter kommen willst, geh allein. Wenn Du weit kommen willst, geh gemeinsam.
4. Bewahren Sie Haltung, bleiben sie authentisch: Mit Spielchen und Tricksereien gewinnen Sie allenfalls einen kurzfristigen Vorteil. Auf mittlere Sicht verlieren Sie! In diesem Zusammenhang: Gehen Sie offen mit Fehlern um. Keiner ist perfekt. Sprechen Sie an geeigneter Stelle an, wenn Sie etwas falsch gemacht haben (das muss ja nicht vor allen Kollegen sein…). Allerdings: Lernen Sie auch aus Ihren Fehlern. Beweisen Sie, dass sie eine steile Lernkurve haben. Immer wieder wird man Ihnen denselben Fehler nicht verzeihen.
5. Versuchen Sie ein Gefühl für Proportionen und für Zahlen zu entwickeln: Was ist wirklich wichtig, was unwichtig? Was ist wirklich viel, was wenig? Beispiel: Häufig bringen Menschen Dimensionen durcheinander. Sie sagen Millionen statt Milliarden oder Milliarden statt Billionen. Entwickeln Sie
einen „sense of propotion.“ In diesem Zusammenhang: Merken sie sich ein paar relevante Zahlen
i) ...aus Ihrem Unternehmen: Mitarbeiter, Gewinnentwicklung, Niederlassungen... Das Geschäftsmodell Ihres Unternehmens sollten Sie sowieso kennen. Schlüsselfrage: Womit verdienen wir unser Geld? Wenn Sie das beantworten können, bekommen Sie einen guten Fokus auf das Wesentliche!
ii) ...aus der Wirtschaft: Wie hoch ist das deutsche Bruttoinlandsprodukt? Wo stehen die Zinsen (wenn es mal wieder welche gibt...)? Wie hoch ist die Verschuldungsquote? Das ist wichtig, weil Ihr Unternehmen in einem politischen, regulatorischen und wirtschaftlichen Umfeld agiert, das Sie kennen sollten.
6. Kommen Sie zum Punkt: Gerade am Anfang wird man ihnen nicht sehr viel Zeit geben, um sich zu Wort zu melden. Und wenn man es doch tut: Nutzen Sie es nicht aus! Meistens geht es um die Lösung eines Problems und um den konkreten Beitrag, den Sie leisten können. Niemand erwartet, dass sie mit Ihrem Beitrag das ganze Problem lösen.
Eine praktische Übung dazu: Der Elevator-Pitch. Sie steigen in den Aufzug und haben zehn Stockwerke Zeit, ihrem Chef zu erklären, welche geniale Idee Sie haben oder wo Ihr Projekt gerade steht. Schaffen Sie das? Oder steigt Ihr Chef im zehnten Stock verwirrt aus?
7. Planen Sie ihre berufliche Entwicklung: Wo will ich in einem Jahr stehen? Wo in fünf oder zehn? Welche zusätzlichen Qualifikationen oder welches zusätzliche Wissen brauche ich dafür? Und wenn
etwas fehlt: Holen Sie es nach! Sie werden sich wundern, wieviel Sie von dem, was sie sich zusätzlich angeeignet haben, an anderer Stelle einsetzen können.
8. Arbeiten Sie an Ihrer Work/Life-Balance: „Prima!“, werden jetzt einige sagen. Der Mann weiß, dass nicht nur der Job im Leben wichtig ist. Das stimmt. Allerdings: Lassen sie sich nicht täuschen. Wenn Sie wirklich etwas erreichen wollen, dann ist das harte Arbeit! Dann müssen sie sich reinhängen, mit Fleiß und mit Ausdauer. Auch wenn es manchmal nervt. Natürlich sollte Ihr Job ganz überwiegend Spaß machen, aber es gibt auch so etwas wie Arbeitsleid! Da müssen Sie durch. Lassen Sie sich davon nicht abschrecken!
Verstehen Sie mich aber bitte auch nicht falsch: Familie, Kinder, Eltern: All das ist ebenso wichtig, auch dafür brauchen Sie Zeit. Auch ein (sportliches) Hobby empfehle ich Ihnen. Warum? Damit sie fit bleiben. Und mit Blick auf Ihre Familie sollten Sie wissen, dass deren Dankbarkeit und Treue in der Regel höher ist als die von juristischen Personen…
So. Genug der schlauen Worte. Ich bin mir sicher, Sie werden Ihren eigenen Weg gehen. Und das
müssen Sie auch. Da gibt es keine Blaupausen.
Was wünsche ich Ihnen?
- einen guten Start in den nächsten Abschnitt, sei es ein konkreter Beruf oder ein weiteres Bildungsvorhaben
- den Spitzensteuersatz (denn dann verdienen sie viel und die Gemeinschaft hat auch noch etwas davon)
- …und einen großartigen Abend, den ich mit einer Bitte verbinde: Ihre Eltern haben vermutlich viel Geld in ihre Ausbildung gesteckt. Das war schlau. Denn dadurch konnten sie Humankapital bilden.
Heute sind Sie aber dran. Geben Sie Ihren Eltern aus ihrem zukünftigen Einkommen ein Getränk aus – oder besser zwei. Und wenn die Getränke heute umsonst sind, dann laden Sie sie zeitnah schick zum Essen ein. Das haben sie verdient.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien alles Gute! Und ganz wichtig in diesen Tagen: Seien Sie geimpft und bleiben Sie gesund!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!